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Ostsee-Anrainer gegen organisierte Kriminalität

■ Regierungschefs wollen baltischen Staaten und Polen den Weg in die Europäische Union ebnen. Kohl verhindert Beschluß über kommunales Wahlrecht für Ausländer

Visby (taz/AFP) – Zum Abschluß ihrer zweitägigen Konferenz auf der schwedischen Insel Gotland haben die Regierungschefs der Ostsee-Anrainerstaaten der organisierten Kriminalität den Kampf angesagt. In der Schlußerklärung sicherten sie den baltischen Staaten und Polen ihre Unterstützung auf dem Weg in die Europäische Union zu. Die Konferenzteilnehmer bildeten eine Sonderkommission, die Sofortmaßnahmen gegen die organisierte Kriminalität ausarbeiten soll.

Es sei höchste Zeit, daß etwas unternommen werde, sagte Bundeskanzler Helmut Kohl. Was heute in Deutschland gestohlen werde, lande morgen via Polen in Rußland. „Das organisierte Verbrechen entwickelt sich so schnell in der Region, daß wir kaum hinterherkommen“, bestätigte Rußlands Regierungschef Viktor Tschernomyrdin. Am Rande der Konferenz warnte Tschernomyrdin, ein Nato-Beitritt Estlands, Lettlands und Litauens würde deren Beziehungen zu Rußland negativ beeinflussen.

In ihrem Schlußkommuniqué betonten die Ostsee-Anrainer die Bedeutung von immer engeren Beziehungen zwischen dem Ostseeraum und der Europäischen Union für die Stabilität in Europa. In diesem Zusammenhang begrüßten sie die Initiative der EU- Kommission zur wirtschaftlichen Entwicklung des Ostseeraums, die unter anderem die Schaffung eines ständigen Sekretariats vorsieht. Damit sollen die EU-Hilfen für die Region besser koordiniert werden. Die Ostsee-Anrainer sollen bis 1999 umgerechnet rund 1,8 Milliarden Mark aus Brüssel erhalten.

Die Regierungschefs stimmten darin überein, daß Kontakte zwischen Privatpersonen, Organisationen und Regierungsstellen im Ostseeraum erleichtert werden sollen. In einem unverbindlichen Katalog zählten die Konferenzteilnehmer viele wünschenswerte Maßnahmen auf. Danach könnte die Zusammenarbeit zwischen Polizei-, Grenz-, Zoll- und Einwanderungsbehörden sowie zwischen den Seenotrettungsdiensten im Ostseeraum verstärkt werden.

Die einzig konkrete Initiative in Richtung Bürgerrechte wurde von Kohl verhindert. Eigentlich sollte in dem Schlußkommuniqué auch festgehalten werden, daß die Ostsee-Anrainer auf ein kommunales Wahlrecht ihrer Nichtstaatsbürger hinarbeiten wollen. Eine Formulierung, die viel für die Entspannung der Minderheitendiskussion in den baltischen Staaten getan hätte. Doch für die Bundesregierung ist es offenbar eine Sache, sich kritisch zur Behandlung von RussInnen in Estland und Lettland zu äußern, und eine ganz andere, den TürkInnen in Berlin und Frankfurt Stimmrecht einzuräumen. Nachdem selbst Lettland und Rußland den Kommuniquétext abgesegnet hatten, sagte Helmut Kohl: Stopp! rewo

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