: Ostdeutsche werden vermögender
■ Aber Wessis immer noch deutlich reicher / Staat und Industrie müssen im Ausland pumpen / Die Öffentlichkeit verliert den Überblick über die öffentlichen Schulden / 190 Milliarden Mark allein 1992
Berlin (AP/AFP/taz) – Jeder Privathaushalt in Deutschland hat statistisch rund 103.000 Mark auf dem Konto oder im Wertpapierdepot. Während in den alten Bundesländern rund 120.000 Mark pro Haushalt zum Anlegen zur Verfügung standen, waren es in den neuen Bundesländern damit knapp 30.000 Mark. Allerdings sind die Ostdeutschen im Schnitt in den vergangenen zwei Jahren deutlich vermögender geworden. Zum Zeitpunkt der Währungsunion lag ihr Geldvermögen noch bei durchschnittlich 20.000 Mark.
Das so angehäufte private Geldvermögen Ende 1992 bezifferte die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht auf insgesamt 3.600 Milliarden Mark, davon gehören 190 Milliarden den Ostdeutschen.
Das Geldvermögen der ostdeutschen Bevölkerung hat nicht nur zugenommen, es hat sich auch deutlich differenziert, heißt es in dem Bericht. Mit anderen Worten, viele Sparkonten sind inzwischen abgeräumt, auf der anderen Seite haben etliche Ostdeutsche von der Einheit stark profitiert, ihr Geld in höherverzinslichen Sparformen und in Wertpapieren angelegt. Überhaupt sind die Ostdeutschen die fleißigen Sparer gewesen, während im Westen das Sparen um 14 Prozent zurückging.
Insgesamt legten die Deutschen im vergangenen Jahr 276 Milliarden Mark auf die hohe Kante, nach 258 Milliarden im Jahr 1991. Für Wirtschaft und Staat reichte das aber nicht aus. Weil rund 50 Milliarden von den 276 Milliarden zum Beispiel in den eigenen Hausbau investiert wurden, konnten die SparerInnen den geldsuchenden Firmen und dem geldhungrigen Staat im vergangenen Jahr nur 226 Milliarden Mark für deren Finanzierungswünsche zur Verfügung stellen. Die Folge: Unternehmen und Staat pumpten sich rund 45 Milliarden Mark im Ausland. Damit fand sich die Bundesrepublik zum zweiten Mal nach 1991 in der Schuldnerposition wieder, nachdem 1990 noch dem Ausland finanzielle Mittel von 80 Milliarden Mark zur Verfügung gestellt werden konnten.
Die Unternehmen investieren nach den Bundesbankzahlen immer mehr Geld in die neuen Bundesländer. Während 1991 jede siebte von deutschen Unternehmen investierte Mark in den Osten floß, ist es 1992 bereits jede sechste gewesen. Dagegen hätten die Investitionen in den alten Bundesländern um 2,5 Prozent nachgelassen. Der Trend von Investitionen zu Lasten Westdeutschlands wird sich nach Meinung der Frankfurter Volkswirte in diesem Jahr noch verstärken. Angesichts der Erfordernisse für die Umstrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft und auch für das Entstehen neuer Arbeitsplätze seien die hohen Sachinvestitionen im Osten „aber noch nicht ausreichend“, heißt es in dem Bericht. „Eine noch stärkere Umschichtung in der Verwendung des Sozialprodukts würde den Umstrukturierungsprozeß schneller voranbringen.“
Deutliche Kritik äußerte die Bundesbank am Anwachsen der staatlichen Schattenhaushalte. Bund, Länder und Gemeinden hätten im vergangenen Jahr 71 Milliarden Mark an Krediten aufgenommen, zähle man aber die Schattenhaushalte vom Treuhand- Fonds über den Fonds Deutsche Einheit bis zur Bundesbahn dazu, liege die staatliche Kreditaufnahme bei stattlichen 190 Milliarden Mark. ten
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