Ost-Kongo: Kriegsparteien sammeln Alliierte
Während des Waffenstillstandes sortieren sich die Nachbarn hinter den verfeindeten Lagern: Uganda und Angola zur Regierungsseite, Ruanda zu den Rebellen.
Manchmal scheint im Kongo die Zeit stillzustehen. Seit Tagen kennen Kongos staatliche Medien kein anderes politisches Thema als das Gipfeltreffen des kongolesischen Staatschefs Joseph Kabila mit seinem ugandischen Amtskollegen Yoweri Museveni Ende letzter Woche, das mit der Unterzeichnung eines detaillierten Kooperationsabkommens endete. Es geht um die Regelung diverser Streitfragen wie die grenzüberschreitende Ölvorkommen, um die es Anfang August militärische Scharmützel zwischen Uganda und Kongo gab. Aber warum hebt Kongos Regierung tagelang dieses Abkommen mit einem Land so hervor, das zwar einst Kriegsgegner war, aber mit dem Kongo schon vor fünf Jahren Frieden geschlossen hat?
Die Antwort auf diese Frage ergibt sich im Zusammenhang mit anderen Nachrichten dieser Tage rund um Kongos neuen Krieg im Osten des Landes zwischen der Regierungsarmee und dem Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda. Die Militärführung von Angola, wichtigster militärischer Verbündeter Kabilas, hob am Montag bei einem Treffen mit Generälen aus Südafrika hervor, Angola "unterstützt weiterhin die Versuche des Kongo, Frieden im ganzen Land wiederherzustellen". In Ruanda hingegen, Kongos längstjährigem Kriegsgegner, sagte Präsident Paul Kagame am gleichen Tag, Nkunda habe "legitime politische Forderungen" - das erste Mal, dass Ruanda sich klar auf die Seite der neuen kongolesischen Rebellion stellt. Die regierungsnahe ruandische Zeitung New Times, in der zumeist regierungsnahe Meinungen stehen, war am Vortag noch deutlicher geworden: "General Nkunda führt den Überlebenskampf eines Volkes. Er ist ein Patriot, den man unterstützen muss."
Der von der UNO am 6. September ausgehandelte Waffenstillstand in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu hält zwar noch. Aber dafür sammeln beide Lager jetzt Verbündete - und nähren damit die Sorge, der Konflikt könnte in einen neuen Kongo-Krieg münden, mit Beteiligung der Nachbarländer. Kabila hat offensichtlich Uganda auf seine Seite gezogen, während Ruanda immer deutlicher Partei für Nkunda ergreift.
Mit Uganda hat Kongos Regierung vereinbart, die verbrecherische ugandische Rebellenorganisation LRA (Widerstandsarmee des Herrn) innerhalb von 90 Tagen aus ihren Stützpunkten im Nordosten Kongos zu verjagen - wobei unklar ist, wie Kongos unfähige Armee das machen soll.
Aber mit Ruanda gibt es keinerlei Festlegungen in Bezug auf die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Ostkongo, deren Führung aus den Leitern des Völkermords an Ruandas Tutsi 1994 hervorgegangen ist. Nkunda rechtfertigt seinen Kampf damit, dass die FDLR von Kongos Regierung unterstützt wird.
"Nicht noch ein Weltkrieg im Kongo!", titelt Ostafrikas einflussreichste Wochenzeitung The East African in Kenia diese Woche ihren Leitartikel. Gerüchte über eine bevorstehende ugandisch-ruandische Konfrontation im Ostkongo gehen ebenso um wie Panik in Kongos Staat vor einer Ausweitung der Nkunda-Rebellion auf andere Landesteile. In der Stadt Kisangani wurden fünf angebliche Nkunda-Spione verhaftet, in der ostkongolesischen Stadt Bukavu neun mutmaßliche Putschisten festgenommen.
In UN-Kreisen wird nun nach einer regionalen Lösung gesucht, um den FDLR- Stachel aus dem Fleisch der Nkunda-Rebellion zu ziehen. Ruanda müsse "an Bord eines Prozesses, der Nord-Kivu stabilisiert", gebracht werden, sagt ein UN-Diplomat. Ruandas Präsident Kagame erklärte sich am Montag zur Vermittlung zwischen Kongos Regierung und Nkunda bereit.
Schon der letzte Krieg zwischen Kongos Regierung und Nkundas Rebellen Ende 2006 ging mit einem von Ruanda ausgehandelten Friedensabkommen zu Ende - dessen Zusammenbruch allerdings liegt an der Wurzel des gegenwärtigen Krieges. Ein neues Abkommen müsste also besser umgesetzt werden. Die UN-Mission im Kongo ist aber nach eigenem Bekunden nicht bereit, Militärschläge gegen die FDLR anzuführen. Ugandas Medien berichten nun, im Falle der LRA hätten sich die USA schon zur Leitung einer multinationalen Militäraktion bereit erklärt. Es wird sich zeigen, ob das auch ein Modell für Nord-Kivu sein kann.
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