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Osman Engin Die CoronachronikenDer Corona-Lagerkoller

privat

Osman Engin

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Coro-na. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Es ist heiß in Istanbul. Heute knacken wir die 50-Grad-Marke. Und die Inzidenzzahl knackt die Million.

Seit Tagen trauen wir uns nicht raus!

Draußen wimmelt es von Corona-Viren, drinnen von schwarzen Fliegen!

In der kleinen Wohnung sind wir nur noch am Streiten. Nicht nur mit den Fliegen.

Jetzt schmollen wir die ganze Zeit und schwitzen uns zu Tode.

Niemand rührt sich, niemand kocht oder isst was. Weder meine Frau, noch ich.

Vielleicht sind das ja alles ganz neue Corona-Symptome!

Womöglich sind wir alle coronakrank und siechen nur noch dahin! Anders lässt sich diese Trägheit nicht erklären.

Ich muss es sofort googeln – aber wie?

Wenn ich mich bewege, würde der große Eisbeutel, den ich kunstvoll auf meinem Kopf drapiert habe, runterfallen. Das bedeutet den sicheren Hitzetod!

Im Fernsehen sagt ein Regierungspolitiker, dass der Westen dieses Coronavirus nur in die Welt gesetzt hat, um Erdogan zu schaden. Es waren also doch nicht die Chinesen, sondern der Westen.

Nicht nur im Fernsehen wimmelt es von Verschwörungstheorien, sondern auch bei uns in der Wohnung.

„Vielleicht hat die Regierung ja unser komplettes Haus gestern Nacht, als wir schliefen, nach Afrika in die Wüste verfrachtet“, murmelt Eminanim erschöpft.

„Warum sollte sie das tun?“, flüstere ich kraftlos, ohne mich zu rühren.

„Weil die Saharahitze die Viren tötet!“

„Das würde zumindest erklären, warum die schwarzen Fliegen heute so groß sind wie Adler. Auaa! Mich haben sie schon wieder gebissen. Das war erneut der Erwin“, jammere ich.

Alle schwarzen Fliegen, die mich mehr als zwanzig Mal gebissen haben, nenne ich beim Namen.

Erwin ist der schlimmste! Der Vampir! Genau 32 Mal! Eine tollwütige Fliege!

Ich bin sicher, dass Erwin auch derjenige ist, der Helmut und Hasan andauernd gegen mich aufhetzt.

Eminanim holt ihre Füße aus der Eisschüssel und steckt dann ihre Hände rein.

Seit zwei Tagen streiten wir uns nicht mehr persönlich, sondern führen Stellvertreterkriege wie die Großmächte.

Wir schicken ganz cool und ohne Gewissensbisse unsere Handlanger in den Krieg. Ich sende Erwin, den Blutsauger, in den Kampf, Eminanims Kriegerin ist wieder einmal Ayse, die Bestie! Eine von den beiden wird den heutigen Tag nicht überleben.

Wir müssen unbedingt wieder nach Deutschland zurück.

Sonst werden wir hier auch krepieren – wie die Fliegen!

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