piwik no script img

Osman Engin Die CoronachronikenDas Corona-Rennen

Foto: privat

Osman Engin ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Corona. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Ich fahre mit meinem Ford Transit zum routinemäßigen Coronatest ins Krankenhaus. Ich lasse mich jeden zweiten Tag testen, damit ich im Ernstfall dort sofort beatmet werden kann. „Frühdiagnose rettet Leben“, ist der Slogan der letzten Jahre, nicht nur bei Dickdarmkrebs.

An der Bushaltestelle sehe ich meinen Kumpel Nedim, wie er verzweifelt hin und her winkt, um von mir mitgenommen zu werden. Ist völlig verständlich! Wer möchte schon in einem überfüllten Bus von kranken Hustern und Niesern mit Coronaviren angesteckt werden? Ich tue es sehr ungern, aber ich lasse Nedim dennoch hinten reinspringen.

„Danke, Osman. Ich befürchtete schon, dass ich zusammengepfercht in einem vollen Bus fahren muss. Und der kommt erst in 15 Minuten. Ich muss zu Cemals Gemüseladen.“

„Klar. Ich will doch nicht, dass du krank wirst, mein Freund“, und greife zu meinem Mundschutz.

„Osman, ich bin bereits krank. Deshalb wollte ich auch nicht den ganzen Bus mit Corona­ anstecken.“

„Waaaas?! Du hast schon Corona?!“, brülle ich wie vor den Kopf gestoßen. „Und was ist mit mir? Warum willst du MICH anstecken?! Was habe ich dir getan? Was bist du denn für ein Freund? Steht auf meinem Ford Transit etwa ‚Corona-Erste-Hilfe-Station‘?“, sprudelt es aus mir heraus, und ich drücke wie ein Irrer aufs Gaspedal.

Ich will diesen hinterhältigen Menschen, der mich, ohne mit der Wimper zu zucken, ins Jenseits schicken möchte, blitzschnell rauswerfen!

„Du hast doch so einen hübschen Mundschutz. Dir passiert schon nichts. Außer, du knallst jetzt mit 100 Sachen gegen einen Brückenpfeiler“, lacht er.

„Mundschutz ist doch nur Folklore. Sogar Ärzte und Krankenschwestern stecken sich ständig an, obwohl sie viel besseren Mundschutz tragen als ich. Wo ist denn Cemals Laden,­ du Mörder? Sag schon, ich muss schnell ins Krankenhaus“, schimpfe ich wütend.

„Osman, hab keine Angst. So schnell wird man nicht krank. Es hat eine Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen.“

„Ich war sowieso auf dem Weg ins Krankenhaus wegen Corona.“

„Ach! Hast du etwa bereits Symptome?“

„Quatsch! Nur prophylaktisch, bevor das Kind in den Brunnen fällt!“

„Oh! Das Kind ist schon gefallen! Wir wurden geblitzt. Mit 120! Das wird teuer für dich.“

„Mir doch egal! Besser als jämmerlich an deinen dämlichen Coronaviren zu krepieren!“

„Okay, du kannst jetzt dort an der Ecke anhalten.“

„Raus mit dir – du Seuche!“

„Osman, du Depp! Ich hab doch gar kein Corona.“­

„Nicht? Warum hast du mir dann so eine Riesenangst eingejagt?“

„Damit du etwas schneller fährst. Meine Frau sagte, ich soll mich beeilen, weil in Cemals­ Laden die Kartoffeln heute besonders billig sind.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen