piwik no script img

Osman Engin Alles getürktParkhotel stattBürgerpark

Kaum war mein Sohn Mehmet 18 Jahre alt, wollte er unbedingt zelten gehen „Zelten kommt gar nicht in die Tüte“, sage ich.

„Vater, ich will doch nicht in der Tüte zelten, sondern im Bürgerpark. Dort will ich erstmal üben, bevor ich an der Ostsee und dann in der Sahara zelte.“

Meine Frau Eminanim ist natürlich wie immer auf der Seite der Kinder: „Osman, sei doch froh, dass er sich so ein billiges Hobby ausgesucht hat! Geh du auch mit ihm, damit ihm nichts passiert.“

Also kaufe ich das billigste Zelt und zwei günstige Luftmatratzen und fahre mit Mehmet abends in den Bürgerpark, um das Zelt aufzustellen. Mit der Taschenlampe zwischen den Zähnen versuche ich die Rohre richtig zusammenzustecken, damit daraus mal ein Zelt wird. Aber immer wenn ich das eine Rohr drin habe, rutscht das andere wieder raus! Also gehe ich lieber die Bäume begießen; schließlich hat es schon seit Tagen nicht mehr geregnet!

Als ich nach fünf Minuten wieder zurück bin, kriege ich einen Riesenschock. Bei Allah, das kann doch nicht wahr sein! Dieses verdammte Zelt kann sich doch unmöglich von alleine aufstellen! „Vater, weil du nicht da warst, habe ich mich ein bisschen nützlich gemacht und das Zelt schon mal aufgebaut“, ruft ­Mehmet schläfrig.

„Gut gemacht, mein Junge, jetzt lass uns endlich schlafen“, sage ich und ziehe den Reißverschluss an unserem kleinen Einmannzelt bis nach unten zu. Aber schon fünf Minuten später mache ich es hastig wieder auf. Diese frisch ausgepackten Luftmatratzen stinken bestialisch nach Plastik.

Foto: privat

Osman Engin

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter www.youtube.com/@osmanengin1916. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Kurz darauf verwandelt sich unser Zelt auch noch in ein höllisch lautes Sägewerk. Mehmet fängt nämlich an aus vollem Rohr zu schnarchen. Ich schubse ihn, damit er auf die Seite rollt und wenigstens so lange Ruhe gibt, bis ich einschlafe. Aber es bringt alles nichts! Er schnarcht fürchterlich und ohne Pause.

„Vater, hör endlich auf, mich ständig hin und her zu schubsen! Wie soll ich denn so schlafen, verdammt?“, brüllt er plötzlich.

„Mehmet, du schnarchst wie ein Grizzlybär im Winterschlaf“, schimpfe ich und setze mich vor das Zelt. Aber das höllisch laute Geschnarche­ geht schon wieder los.

Erschrocken stelle ich fest, dass die ganze Zeit über nicht mein Sohn Mehmet die Quelle des Lärms war, sondern ein wildfremder Nachbar, der seinen Schlafsack direkt neben unserem Zelt ausgerollt hat. Irgendwann schaffe ich es doch noch, irgendwie einzuschlafen.

Gegen Mittag weckt mich Mehmet auf. ­„Vater, nachdem du mich mitten in der Nacht geweckt hast, konnte ich wegen dem Schnarcher von Nebenan nicht mehr einschlafen“, jammert er.

Ich schubse Mehmet, damit er wenigstens so lange Ruhe gibt, bis ich einschlafe

„Mehmet, du wolltest doch unbedingt zelten gehen“, lache ich schadenfroh.

„Ja, aber weil ich dann hier nicht mehr schlafen konnte, bin ich halt rüber ins Parkhotel gegangen. Hier hast du die Rechnung über 500 Euro für die Präsidentensuite. Was anderes war nicht frei. Die haben gesagt, du kannst dir mit der Überweisung eine Woche Zeit lassen!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen