Osman Engin Alles getürkt: Terror am Flughafen
Nach drei Jahren Coronapause wollen meine Frau und ich in diesem Jahr endlich wieder unseren bürgerlichen Pflichten nachkommen und Urlaub machen. Wir stehen mitten im Bremer Flughafengebäude und schauen, zu welchem Schalter wir müssen. Endlich haben wir unseren Schalter für die Türkei entdeckt. Aber davor steht leider eine riesige Schlange. Ich hasse Schlangen. Ich hasse Flugzeuge. Ich habe fürchterliche Angst, dass wir abstürzen. Ich hasse Abstürze jeder Art. Egal ob durch Maschinenschaden, Computerfehler, Bombenexplosion, Vogelschlag, Pilotenfehler oder ganz normales Abstürzen.
In jedem, der hier am Flughafen rumläuft, sehe ich einen potenziellen Terroristen. Alle möglichen können sich hier tummeln: RAF, CIA, Al Qaida, IS und Fußball-Hooligans aus England. In diesem Moment spricht mich jemand von hinten an: „Entschuldigen Sie, können Sie mir bitte sagen, wo die Toiletten sind?“
Ich zeige dem Terroristen irgendeine Richtung, damit er mich nicht als Geisel nimmt. Er stellt einen kleinen Handkoffer neben mich ab und sagt: „Können Sie bitte so lange auf meinen Koffer aufpassen“, und schon rennt er los. Ich packe meine Frau am Arm und laufe in die entgegengesetzte Richtung. Dieser 50-Meter-Lauf war die größte sportliche Leistung, die Eminanim und ich in den letzten 25 Jahren erbracht haben.
„Bei Allah, Osman, warum rennst du wie ein Wahnsinniger? Warum hast du mich hierher gezerrt?“
„Frau, geh in Deckung! Die Bombe geht gleich hoch!“ Ich kneife die Augen zusammen und schmeiße mich auf den Boden. Ich drehe mich ein paar Mal und knalle voll mit dem Kopf gegen den Mülleimer. „Warum ist der Koffer denn immer noch nicht explodiert?“
„Osman, warum soll ein Koffer denn explodieren?“
„Eminanim, hast du nicht gemerkt, wie der Terrorist die Bombe neben uns abgestellt hat?“
„Wieso Terrorist? Das war doch ein ganz normaler Deutscher. Mit blonden Haaren, Bierbauch und weißen Socken.“
Ich traue mich keinen Zentimeter hinter meinem Mülleimer-Versteck hervor. „Eminanim, geh doch mal rüber, schau, was mit der Bombe los ist. Tu was für dein zweites Vaterland.“
„Osman, ich habe den Verdacht, du liebst mich nicht mehr.“
„Stell dich doch nicht so an, du Feigling. Die Situation ist von nationaler Bedeutung. Türkische Frauen kennen keine Angst!“
„Die Passagiere des Fluges nach Istanbul, Osman und Eminanim Engin, werden zum letzten Mal dringend gebeten …“
„Eminanim, du hörst doch! Wir haben keine Zeit mehr, beeil dich!“
„Osman, ich lass mich scheiden. Ich gehe zu meiner Mutter zurück.“
In dem Moment sehe ich, wie der Terrorist seinen Koffer schnappt und davon eilt. Mit angeborener Gelassenheit sage ich zu meiner Frau: „Na gut, wenn du solche Angst hast, dann gehe ich eben als erster. Mut ist nun mal keine Frauensache.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen