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Osman Engin Alles getürktBill Gates, mein Sponsor

Foto: privat

Osman Engin

ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Coro-na. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

Dass ich sehr gerne heimlich die Mails von meinem kommunistischen Sohn Mehmet lese, muss ich zugeben. Immer wenn er weg ist und nichts Spannendes im Fernsehen läuft, schleiche ich mich in sein Zimmer, schalte seinen Computer an und amüsiere mich köstlich über seine Mails. So wie jetzt.

So ein Schlawiner! Mehmet bekommt nicht nur Mails von seinem eigenen Harem, sondern von Frauen aus dem ganzen Land, als wäre er ein staatlich anerkannter Frauenversteher.

Plötzlich entdecke ich eine viel interessantere Mail und springe fast an die Decke: „Liebe Freunde, Bill Gates verteilt gerade sein Vermögen. Wenn ihr diese Mail an eure Freunde weiterversendet, zahlt Microsoft pro Mail 245 Euro. Für Bill Gates ist das eine Werbekampagne. Bitte sendet diese Nachricht so vielen Leuten wie möglich.“

Bei Allah, ich fasse es nicht! Endlich werde ich auch reich! Wenn ich diese Mail von Bill Gates an 4.080 Leute verschicke, werde ich Millionär!

Ich schaue auf die Uhr; es ist kurz vor acht, Freitagabend. Mehmet wird sich sicherlich das ganze Wochenende nicht blicken lassen. Bis Montagmorgen habe ich noch 60 Stunden Zeit – das müsste reichen!

Ich krempele die Ärmel hoch und arbeite sehr hart für meine erste Million. Ich esse kaum, ich schlafe überhaupt nicht, ich gehe nicht mal aufs Klo!

Dabei kommt mir auch sehr gelegen, dass Mehmet so viele Adressen von linken Organisationen, politischen Parteien, sozialistischen Vereinen, chaotischen Pennern und unglücklichen Frauen hat, dass ich keinen Mangel an Mailadressen habe. Erst am Montagmorgen schalte ich den glühenden Computer aus und lege mich glücklich und zufrieden ins Bett.

Ein paar Stunden später werde ich durch ein lautes Gebrüll wieder wach. „Wer war das? Wer hat sich an meinem Computer vergangen?“, tobt Mehmet wie verrückt. Meine Frau Eminanim verpetzt ihm voller Schadenfreude, dass ich das ganze Wochenende über sein Zimmer nicht verlassen habe.

„Vater, das kann doch nicht wahr sein! Was hast du nur gemacht? Ich habe Hunderte von Rückmails bekommen! Alle Leute fragen mich, ob ich denn wirklich so blöd sei, auf so eine billige Verarsche reinzufallen!“, schreit er mich an.

„Was willst du denn? An deinem Computer wurde doch zum ersten Mal richtig Geld verdient! Dass Bill Gates mir bald eine Million Euro überweisen wird, das weißt du noch gar nicht, nicht wahr?“, verrate ich ihm das Geheimnis.

„Waaas? Du bekommst eine Million? Du wirst nur Hohn und Spott kriegen! Bill Gates, dass ich nicht lache. Das ist eine Fakenachricht“, brüllt er mich an.

Bei Allah, ich fasse es nicht! Endlich werde ich auch reich! Ich werde Millionär!

„Woher willst du das denn wissen?“

„Weil ich selber diese Fakenachricht in die Welt gesetzt habe!“

Na toll! Das Ganze hat jetzt auch noch ein Nachspiel. Meine Frau Eminanim hat Mehmet und mir vier Wochen Internetverbot aufgebrummt. Ihm wegen seiner kriminellen Machenschaften und mir wegen meiner Dummheit!

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