piwik no script img

■ Oskar Lafontaine darf alles sagen. Er muß es aber nichtDas Herz schlägt - auch ohne Lafontaine

Natürlich darf Oskar Lafontaine sagen, daß er gegen den Krieg der Nato in Jugoslawien ist. Er kann das Ende der Bombardierungen fordern, so oft und so laut er will. Es schadet auch nichts, wenn er an seine Freunde in der SPD appelliert, sie sollten die Entspannungs- und Friedenspolitik Willy Brandts fortsetzen; was auch immer das heißen mag in bezug auf den Kosovo-Krieg. Es sei ihm sogar gegönnt, daß er seine ehemaligen Kabinettskollegen halb gebremst, halb süffisant „die Verantwortlichen“ nennt. Alles geschenkt. Nur eine Frage möchte man gern noch beantwortet haben: Hätte er seine Rede am 1. Mai in Saarbrücken genauso gehalten, wenn er noch SPD-Vorsitzender und Finanzminister wäre? Natürlich nicht. Und genau hier beginnt Lafontaines Problem.

Man weiß nicht so recht, warum er sagt, was er sagt. Und vor allem, wer derjenige ist, der es sagt. Ein Privatmann? Lafontaine selbst hat vor Wochen den wartenden Journalisten erklärt, daß Privatleute keine Interviews geben. Gute Idee. Das sollte dann vielleicht auch für öffentliche Auftritte am 1. Mai gelten. Oder ist Lafontaine immer noch der Chef der deutschen Sozialdemokratie, nur leider gerade im Exil? Dann sollte der große Vorsitzende verraten, wann er uns denn wieder beehren wird. Wenn sein Sohn Carl-Maurice aus dem Gröbsten raus ist?

Die Zweifel am Sinn des andauernden Krieges der Nato, die Lafontaine formuliert, sind legitim. Aber solange der Privatmann nicht klar sagt, welche Rolle er in Zukunft spielen will, wirken seine öffentlich vorgetragenen Zweifel nur rechthaberisch. Da kommt er plötzlich nicht mehr nur als beleidigter, verhinderter Weltökonom daher, sondern auch noch als aufrechter Mutlangen-Demonstrant, der seiner friedensbewegten Vergangenheit treu geblieben ist.

Wenn es denn stimmt, daß das Herz links schlägt und diese Tatsache irgendwie von Belang ist, dann sollte man Lafontaine vielleicht noch mal erklären, daß es auch ohne ihn da schlagen würde. Jens König

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen