■ Was wird ab 1998 anders?: Ortsgespräche kosten nichts
Die Post, die nicht mehr Post heißt, sondern Telekom, handelt wie eine Behörde und wird behandelt wie eine Behörde. Vielleicht schickt sie morgen einen Monteur, vielleicht nächste Woche. Wer sich beschwert, ist selbst schuld.
Das wenigstens könnte sich am 1. Januar 1998 ändern, so hoffen in seltener Eintracht Brüsseler Bürokraten, liberale Wirtschaftspolitiker und Computerfreaks. Das Telefonieren muß billiger und komfortabler werden, so lautet die gemeinsame Überzeugung, auch wenn zur Zeit niemand Zahlen nennen mag. Doch die technischen Möglichkeiten und das Vorbild der USA erlauben gut begründete Spekulationen. Danach ist das Telefon selbst nur noch eine eher nebensächliche Zutat zu dem komplexen Kommunikationspaket, das private Firmen in jeder größeren Stadt anbieten. Sie werden höchstens für Ferngespräche Gebühren erheben, wer für Ortgespräche beliebiger Länge auch nur einen Pfennig verlangt, dürfte keine Marktchance haben.
Ebenso selbstverständlich werden die Kosten für den Anschluß und die Wartung von Geräten übernommen. Und niemand wird auf die Zuteilung einer neuen Nummer warten müssen. Im Gegenteil, die Telefonnummer wird zum unverlierbaren, privaten Kennzeichen, vergleichbar der Sozialversicherungsnummer. Sie wird nicht nur für den einen Telefonanschluß gelten, sondern ebenso für das Handy, das bei Bedarf zugeschaltet wird, als Code für das Fernsehabonnement und – mit einem kleinen Zusatz – als Adresse für den E-Mailverkehr im Internet.
Marktentscheidend wird deshalb sein, was Telekommunikationsfirmen über selbstverständliche Dienstleistungen hinaus liefern können. AT & T, die weltgrößte Telefongesellschaft, bietet seit ein paar Wochen einen preiswerten Internetzugang an, regionale Telefongesellschaften (die „Baby-Bells“) kooperieren mit den großen Medienkonzernen, weil sie zum Telefon gleich noch einen Kabelanschluß für den Fernseher verkaufen wollen. Es gewinnt, wer das gefälligere Programm und die bessere Datenleitung verspricht. Bei Unzufriedenheit genügt ein Anruf bei der Konkurrenz, die noch am selben Tag die Nummer übernimmt und sie für mindestens einen Monat ohne Gebühr freischaltet.nh
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