Ordnung in den Pflegedschungel: Krankenpflege-TÜV
■ Erster Bremer Hauspflegeverbund besteht TÜV-Kriterien „mit Bravour“
Der Ambulante Hauspflegeverbund Bremen (AHB) hat seit gestern eine TÜV-Plakette. Genauer ein TÜV-Zertifikat, daß der AHB die Qualitätsanforderungen für ambulante Pflegedienste erfüllt. Damit ist der AHB in Bremen die erste Gesellschaft mit TÜV-Gütesiegel. „Und das mit Bravour“, stellte Ursula Reck-Hog von der Uni Freiburg fest.
Die Sozialwissenschaftlerin hat zusammen mit dem TÜV-Rheinland, mehreren ProfessorInnen und ÄrztInnen den TüV-Test entwickelt. Sie testete auch den AHB auf Herz und Nieren. Dabei muß ein ambulanter Pflegedienst etwa 50 Prüfkriterien bestehen. Die richten sich nach gesetzlichen Verordnungen, die erfüllt sein müssen, und zusätzlich erarbeiteten Qualitätsmerkmalen, die zu mindestens 80 Prozent eingehalten werden müssen. Das bezieht sich auf die technische Ausrüstung, die fachliche Qualifikation der MitarbeiterInnen, die Erreichbarkeit des Notdienstes bis hin zu persönlichen Daten wie Vertraulichkeit der Angestellten.
Zu diesem Zweck befragte Ursula Reck-Hog in 20-Minuten-Interviews etwa 50 der 240 PatientInnen vom AHB. Diese werden vom TÜV unabhängig bestimmt. Sie werden allerdings vorher verständigt. Reck-Hog: „Das läßt sich aus rein menschlichen Gründen nicht umgehen. Dennoch ist eine vorherige Manipulation der Pflegebedürftigen durch den Dienst ausgeschlossen.“Beim AHB haben sich bis auf eine Ausnahme alle Befragten sehr positiv geäußert. Überzeugend sei die Arbeit des AHB zudem wegen mehrer herausstechender Punkte. Mit wenigen begründeten Ausnahmen haben alle MitarbeiterInnen Examen in der Tasche. Durch dezentrale Leistellen in Bremen-Mitte, Bremen-Nord, Bremerhaven und Achim ist eine große Nähe zu den PatientInnen gegeben. „Beeindruckend war auch die individuelle Beziehung zu den Alten und Kranken sowie die Achtung der Person“, so Reck-Hog. „Das bleibt nicht bei der bloßen Pflege. Da wird mal ein Fußballspiel abgewartet, wenn der Patient es zu Ende sehen will. Das bedeutet schließlich Überstunden. Bei einer zuckerkranken Kundin hat man sogar spezielles Insulin besorgt. Denn für normales Insulin werden Bestandteile aus aus Schweinen gewonnen.. Dies will die Frau aus religiösen Gründen nicht.“
Gegründet wurde der AHB 1993. Inzwischen fahren 166 MitarbeiterInnen 18.000 Einsätze pro Monat. Geleitet wird die Gesellschaft von vier InhaberInnen, die alle seit 15 Jahren Erfahrung im Pflegedienst haben. In sechs Monaten soll es eine weitere Neuerung geben. Einen telefonischen Notdienst mit Datenbank. In der Datenbank sollen zusätzlich Termine, Verabredungen zu Skatrunden sowie Adressen von FriseurInnen oder ÄrztInnen, die auch Hausbesuche machen, angeboten werden.
Dem freiwilligen TÜV-Test hat sich der AHB unterzogen, „um Transparenz für die Kunden zu schaffen“, so AHB-Leiter Thorsten Gehle. Sicherlich sei dies auch ein wirtschaftlich positiver Faktor. Allerdings sei der Markt nur mit examiniertem Personal sehr eng geworden.
Aus diesem Grund hat der TÜV den Test eingeführt. „In Deutschland gibt es etwa 11.500 Pflegedienste. Davon sind einige sehr fragwürdig“, sagt Manfred Schneider vom TÜV-Rheinland. Darum will der TÜV die Liste der Heimpflegedienste mit Siegel veröffentlichen.
Einen unerwarteten Nebenaspekt hat der TÜV-Test übrigens bei den persönlichen Befragungen ergeben. Ursula Reck-Hog: „Im Schwabenland wurde sehr häufig angegeben, daß die Säuberung der Badewanne sehr wichtig sei für einen guten Pflegedienst. In Bremen war es mehr die Mundpflege. jeti
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