: Ordemann setzt frei
■ BRETAG-Verleger feuerte elf Beschäftigte der „Neuen Anzeigenzeitung“, die im Umland verteilt wird, und bietet ihnen gleichzeitig freie Mitarbeit an
Die Verluste, die die im Bremer Umland kostenlos verteilte „Neue Anzeigenzeitung“ (Neue AZ) einfährt, kamen Bremens Großverleger Herbert C. Ordemann bis vor kurzem ganz gelegen. Denn mit den Miesen konnte Ordemann, der neben seinem Engagement im Anzeigenblatt-Geschäft als Vorstandsvorsitzender der Bremer Tageszeitungs AG (BRETAG) Herr im Hause von Weserkurier und Bremer Nachrichten ist, Gewinne in anderen Bereichen mindern und damit Steuern sparen. Wegen einer Umstrukturierung der „Markt und Werbung GmbH“, die die Neue AZ herausgibt, sind die Verluste jetzt steuerlich nicht mehr absetzbar. Prompt zog Ordemann Konsequenzen und kündigte zwei Redakteuren, acht AnzeigenvertreterInnen und der Disponentin im Büro Delmenhorst zum 30. Sep
tember „aus wirtschaftlichen Gründen“. Den bisherigen Angestellten bot die „Markt und Werbung GmbH“ an, ihre Arbeit freiberuflich fortzusetzen. Damit spart das Unternehmen jede Menge Sozialabgaben, von den Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung bis zum Urlaubsgeld.
Solch „freies Arbeiten“ ist im Imperium des Herbert C. Ordemann bereits erprobt: Für den Bremer Anzeiger, das Pendant zur Neuen AZ für die Stadt Bremen, akquirieren traditionell „freie Handelsvertreter“ die Anzeigenaufträge, die redaktionellen Beiträge werden großenteils von Freien für Zeilenhonorar verfaßt. Diese Tradition sozial ungesicherter Arbeit dehnte die Geschäftsführung des Bremer Anzeiger vor einiger Zeit aus, als sie Hilfskräfte, die beim Druck re
gelmäßig auf Abruf eingesetzt wurden, vor die Tür setzte. Um die Lücke zu füllen, engagierte Geschäftsführer Edzard Pauls einen Subunternehmer, der die Arbeit jetzt teilweise von denselben Arbeitern machen läßt, die dafür allerdings noch weniger Geld sehen als zuvor.
Die vom Rausschmiß bedrohten AZlerInnen wollen beim Arbeitsgericht auf Weiterbeschäftigung klagen. Die Deutsche Journalistenunion in der IG Druck und Papier hat sich bereits in der vergangenen Woche in einem Schreiben an Ordemann für die Gekündigten stark gemacht. Auch bei einem Anzeigenblatt müsse die Verantwortung für das Geschriebene bei festangestellten RedakteurInnen liegen.
Bei den gewerkschaftlichen Vertrauensleuten der BRETAG sind die Kündigungen ebenfalls
Thema. „Wir beraten, wie wir den Kolleginnen und Kollegen von 'Markt und Werbung‘ zu Hilfe kommen können“, erklärt Betriebsrat Peter Krug. Der BRETAG-Betriebsrat darf allerdings die KollegInnen bei der Neuen AZ nicht offiziell vertreten.
Für die taz war weder Herbert Ordemann noch der 49-Prozent -Minderheitsgesellschafter von „Markt und Werbung“, Heiner Saade, zu sprechen.
Die Lorbeeren für die Erstveröffentlichung der Entlassungsgeschichte gebührt dem CDU-nahen Weser-Report (WR). Allerdings nutzte WR-Chefredakteur Ronald K. Famulla das Ereignis, die Hälfte des Artikels zu gehäßigen Beschimpfungen eines der Entlassenen, des AZ-Redakteurs Ulrich Reineking (“...blickt zunächst durch die Röhre und dann ins Leere“).
Gaby Mayr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen