Orco-Baustopp: Aus Luxusprojekt wird Bauruine
Das Prestigeprojekt "Fehrbelliner Höfe" steht vor der Pleite. Die Folgen für die Branche sind bislang unklar.
Eines der ehrgeizigsten Berliner Luxusprojekte ist geplatzt: Der Investor Orco Germany gab bekannt, die Arbeiten an der Wohnanlage Fehrbelliner Höfe auf Eis zu legen. "Es ist aus unternehmerischer Sicht wegen der US-Immobilienkrise schwieriger geworden", sagte Orco-Sprecherin Sabrina Eilers am Donnerstag. "Wenn wir die derzeitigen Darlehenskonditionen akzeptieren würden, wären unsere anderen Projekte gefährdet." Die Orco-Gruppe entwickelt unter anderem das ehemalige Wertheim-Gelände am Leipziger Platz.
taz: Frau Riney, ist die Pleite mit den Fehrbelliner Höfen womöglich symptomatisch - ist der Markt für Luxuswohnungen in Berlin an seine Grenzen gestoßen?
Anne Riney: Nein. Der Fall ist nicht bezeichnend. Luxuswohnungen sind nach wie vor gefragt in der Stadt, aber eher in den zentralen Bereichen, in Mitte, am Potsdamer Platz, im Scheunenviertel. Bei dem jetzt betroffenen Objekt klafften Planung und Lage zu weit auseinander.
Die Leute mit dickem Geldbeutel wollen nicht in Richtung Prenzlauer Berg?
Die Leute mit Geld in Prenzlauer Berg müssen dieses nicht zur Schau stellen. Es ist keine 1-A-Lage. Menschen, die so viel Geld für eine Wohnung ausgeben, wollen dann auch mittendrin sein und nicht am Rand des Zentrums. Der Standort könnte interessant sein für Menschen, die sowieso schon im Kiez leben und gern dort bleiben wollen, Familien zum Beispiel.
Wer interessiert sich denn überhaupt für solche Luxusappartements?
Angesprochen sind vor allem ausländische Käufer aus dem kreativen Bereich. Es kaufen Leute aus der Musik- und Filmbranche, Galeristen und Kunstsammler. Nur Amerikaner wollen indes Spa und Wellness in der Wohnanlage. Die Deutschen - genauso wie andere Europäer - fragen eher, wie hoch die Nebenkosten sind, und sind bereit, da Abstriche zu machen. Zumal wenn sie nur wenige Monate im Jahr in ihrer Zweit- oder Drittwohnung verbringen und trotzdem die ganze Zeit Nebenkosten zahlen müssen.
Und warum interessieren sich diese Leute gerade für Berlin?
Die Stadt ist reich an Kultur, weltoffen und sehr tolerant - jeder findet hier alles, was er möchte. Es gibt mehr Grünflächen als in jeder anderen europäischen Hauptstadt. Das Leben ist außerdem günstig hier, was Essen gehen und Freizeit angeht. Die Stadt ist weitläufig, die Menschen fühlen sich nicht bedrängt. Berlin ist ja für fünf Millionen Einwohner konzipiert, es leben aber lediglich 3,5 Millionen hier. Denken Sie einmal an London, das ist viel enger.
Haben Sie selbst derartige hochpreisige Wohnungen im Portfolio?
Ja, aber nicht nur. Entgegen manchen Vorurteilen verkaufen wir auch ganz gewöhnliche Wohnungen.
ANNE RINEY ist Leiterin des Immobilienmaklerbüros von Engel & Völkers in Mitte.
INTERVIEW: KRISTINA PEZZEI
In den Fehrbelliner Höfen sollte laut Investor "ein Ensemble aus klassischen Gründerzeitgebäuden, Lofts und Townhouses mit Gärten" entstehen. Von außen kaum einsehbar, waren in einem wellenförmigen Block sündhaft teure Wohnungen geplant mit einem gemeinschaftlichen Dachgarten. Freistehende Häuser sollten das abgeschirmte Viertel ergänzen.
Bislang ist lediglich die Tiefgarage ausgehoben, 40 von mehr als 150 Wohnungen sind verkauft. Mit diesen Besitzern stehe das Unternehmen in Verhandlungen, sagte Eilers.
Was die Pleite für den Markt in Berlin insgesamt bedeutet, bleibt abzuwarten. Zwar scheuten sich Immobilienexperten, das Wort "Signalwirkung" in den Mund zu nehmen. Ganz kalt dürfte das Orco-Unterfangen die Branche aber nicht lassen. "Für den Markt ist das sicherlich keine gute Nachricht", sagte der unabhängige Immobilienberater J. Starck. "Die Nachfrage nach teuren Luxuswohnungen ist in Berlin dünn, und es bleibt abzuwarten, wie andere Firmen jetzt mit ähnlichen Projekten reagieren."
Nach Ansicht von Kai Kummert von der Technischen Fachhochschule Berlin wird es noch dauern, bis sich der Markt für Luxuswohnungen in der Stadt etabliert. "Letztendlich ist es immer vernünftig, wenn ein Investor prüft, ob das Konzept tragfähig ist."
Einig waren sich die Experten darin, dass Orco zur falschen Zeit am falschen Ort investiert habe. "Das ist einfach mal ein Fall, der zeigt, dass es zum jetzigen Zeitpunkt und an diesem Standort nicht geht", sagte Kummert, der sich vor allem mit Immobilienwirtschaft beschäftigt. Auch Starck erklärte, dass trotz des hohen Qualitätsstandards solche Preise höchstens in zentraler Lage durchsetzbar seien. Orco hatte für die Wohnungen am Rande des Bezirks Mitte Kaufpreise ab knapp 4.000 Euro pro Quadratmeter veranschlagt. "Es ist eben nicht das Sony Center oder eine Lage mit Prominentencharakter wie Grunewald."
Überhaupt könnte sich Orco einfach verspekuliert haben. Vor wenigen Jahren drängte der Investor nach Berlin, kaufte andere Entwicklungsgesellschaften auf. "Die Meldung jetzt hat mich interessiert, überrascht hat sie mich nicht", sagte Christian Meyer, der Geschäftsführer des "Regionalmanagements Mediaspree", das die Investoren entlang der Spreeufer vertritt.
Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kommentierte die Auswirkungen auf den Luxus-Immobilienmarkt gegenüber der taz so: "Für die Stadt hat dieser Einzelfall wenig Auswirkungen. Grundsätzlich scheint es in Berlin einen Markt für diese Luxuswohnungen zu geben."
Die baupolitischen Fachleute im Abgeordnetenhaus sehen das Scheitern im Zusammenhang mit der US-Immobilienkrise: "Wenn auf anderen Märkten Verluste gemacht werden, kann das auch hier bei uns zu steigendem Verkaufsdruck führen", sagte Michael Arndt, baupolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Riskant seien dabei solche Projekte, für die es keinen gesicherten Markt gibt. Auch Bauausschuss-Vorsitzender Manuel Heide (CDU) sagte: "Nun werden sich sicher auch andere Unternehmen gut überlegen, ob es etwa in Prenzlauer Berg den Markt für Top-Luxus-Projekte gibt."
Die Fehrbelliner Höfe in Mitte sind nicht das einzige Luxus-Bauprojekt, das derzeit in Berlin entwickelt wird. Neben den "Townhouses Friedrichswerder" in Mitte sticht das Bauprojekt "Marthashof" in Prenzlauer Berg hervor. Hier sollen auf 12.380 Quadratmetern hochpreisige "Garden Villas" und "Classic Penthouses" entstehen.
"Marthashof"-Sprecherin Anna-Maria Gerhart wollte gegenüber der taz keine Verbindungslinie zum gescheiterten Bauprojekt in den Fehrbelliner Höfen ziehen. Das Projekt "Marthashof" spreche eine andere Zielgruppe an. Hier würden "Kunden der Middle bis Upper Middle Class" angesprochen, die Nachfrage sei gut. Eine Wohneinheit ist bereits zum Schnäppchenpreis zu erstehen: ab 3.000 Euro pro Quadratmeter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko