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Opposition in Russland"Ich habe Angst, dass Blut fließen wird"

Olga Romanowa, Journalistin und Mitglied der oppositionellen Wählerliga, fürchtet, dass Putin durchdreht. Dennoch will sie ihm die Chance für Gespräche geben.

Trotz klirrender Kälte demonstrierten am Wochenende Tausende in Moskau und anderen Städten gegen Putin. Bild: dapd
Klaus-Helge Donath
Interview von Klaus-Helge Donath

taz: Frau Romanowa, Putin hat die Mitglieder der Wählerliga zum Gespräch aufgefordert. Gehen Sie darauf ein?

Olga Romanowa: Als Frau gebe ich ihm eine Chance, obwohl ich glaube, dass sie uns nur einwickeln wollen. Putins Motivation ist klar: Wir sollen aufhören, seinen Rücktritt zu fordern. Er kann uns aber nichts anbieten. Dennoch, ich bin für das Gespräch, die Chance soll er bekommen.

Die Gefahr einer Spaltung der Bewegung besteht nicht?

Putins Klientel will nichts ändern, dennoch will sie sich mit uns verständigen. Sie ist überzeugt, sie könne uns mit Posten locken, weil wir nichts anderes wollten als sie: stehlen. Die Mitglieder der Liga haben alles, Geld, Immobilien, Anerkennung … Es sind Schriftsteller, Journalisten oder eine Ärztin, die Obdachlose betreut. Freundschaft, Mitleid und Empathie sind den Leuten an der Macht fremd. Für sie ist alles käuflich, nur das Materielle zählt.

Putin reagiert hilflos, er wirkt manchmal wie ein Getriebener.

Putin hat ein Problem: Er will als Lichtgestalt in die Geschichte eingehen, und das ist jetzt gefährdet. Er kann Historiker späterer Generationen weder bestechen, noch haben diese Angst. Der Platz in der Geschichte ist für solche Menschen das Teuerste.

Bild: reuters
Im Interview: Olga Romanowa

ist Mitglied der Wählerliga und des Organisationskomitees der Anti-Putin-Demos. Sie ist eine der bekanntesten Journalistinnen Russlands.

Wie geht es nach den Präsidentschaftswahlen weiter? Putins Sieg steht außer Frage.

Blut wird fließen, fürchte ich. Aus Putins Umkreis ist zu hören, dass er durchdreht. Niemand weiß dem entgegenzusteuern. Ich möchte kein Blut. Dann verliert auch unser Protest an Legitimität. Unsere Revolution hat wie in Ägypten und Syrien keine Führer, sie kommt aus dem Volk. Als die Proteste begannen, gab es auch in unserem Komitee harte Auseinandersetzungen. Doch wir haben uns zusammengerauft: Erst gemeinsam siegen, dann zerfleischen, scherzen wir.

Hat sich die Zivilgesellschaft konsolidiert und ist zu einem politischen Faktor geworden?

Putin zwingt den kreativen Teil der Gesellschaft in die Emigration. Entweder verlässt du das Land oder du landest im Gefängnis, lautet die Ansage. Das Fernsehen unterstützt ihn, indem es moralischen und geistigen Zerfall fördert. Die satten Bürger gehen demonstrieren, und sie sind zornig. Nicht weil sie die ganze Bandbreite des Übels erkannt hätten. Die jungen Leute verstehen noch wenig. Freiheit als solche ist für sie noch zu abstrakt: Persönliche Freiheit ja, um Freiheit als solche geht es ihr noch nicht. Doch das ist schon etwas.

Sind die jungen Leute der Kern der neuen Mittelschicht?

Wagen Sie nicht, diese Jugend Mittelklasse zu nennen! Sie ist dann beleidigt, weil sie in ihrem Selbstverständnis mehr ist: die "kreative Schicht". Net-Hamster, die Mut fassen und Selbstbewusstsein zeigen. Sie sind nach den Wahlen aufgewacht. Für meine Studenten waren Lügen, das Abhören von Gegnern und Korruption das Normalste von der Welt. Hervorragend ausgebildete Studenten im Aufbaustudium. Auch Schüler wollen Beamte Putins werden, der alle Vergehen deckt … Diese Generation will von Politik eigentlich nichts wissen.

Sind Sie Revolutionärin?

Was begonnen hat, muss weitergeführt werden. Ein Sieg, wie im Falle meines Mannes, den ich nach drei Jahren aus dem Gefängnis befreien konnte, reicht nicht. Wir brauchen eine andere Justiz. Als mein Mann eingebuchtet wurde, bin ich tagsüber zu den Gerichten gelaufen und habe nachts als Journalistin gearbeitet. Wenig schlafen ist zur Gewohnheit geworden. In der Kindheit las ich viel über Revolutionäre, die nur drei Stunden am Tag schliefen. Sie kippten um, starben früh, die Sache lief weiter …

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13 Kommentare

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  • EC
    El Commandante

    @Benz:

    Wenn Putin und seine Schergen die Korruption bekämpfen würden, würde die halbe Duma und ca. 2/3 des gesamten Beamtenapparates im Knast sitzen...du glaubst doch nicht ernsthaft, das die sich selbst anklagen oder? Zu den Bullen braucht man eh nix zu sagen, das ist die Plage meiner Heimat, wie Heuschrecken diese Typen, nur 1000-mal gefräßiger. Ich weiß ja nicht, aber wieso werden die Journalistenmorde im russ. Fernsehen, das durch und durch an das sowjetische Model staatliche Propaganda 24/7 erinnert, totgeschwiegen?? Die mächtigen Russlands hatten und haben immer noch das Problem der Angst vor dem eigenen Volk und um der Welt seine Größe darzustellen, muss man es eben in Angst leben lassen, damit sie schweigen und funktionieren und damit alle Anderen glauben wie effektiv und vorbildlich das System funktioniert, genial oder? Ach und noch was das Problem der Ausländerfeindlichkeit in den ärmeren Bevölkerungsschichten scheint Herrn Putin nicht sonderlich zu beschäftigen oder etwa doch? Das russ. Volk lebt seit der Zarenzeit in einem Zustand der Angst vor der eigenen Regierung, dieser Zustand muss aufhören!

     

    Und zu Chodorkowski: Okay gut der Typ hat geklaut und saß deswegen im Knast. Alles soweit i.O. Aber defacto für ein-und dasselbe Verbrechen verurteilt zu werden, steht schon bildhaft für die "Elite des Landes" und ihren Vorstellungen von Demokratie, Moral und Herrschaft.

  • B
    Benz

    @Denis

    Sie schrieben ''Wenn die russische Regierung keine Ideen zur Lösung der Probleme RUs hat, soll sie abtreten.''

     

    Zuerst einmal, wenn jede Regierung zurücktreten würde, die ein Problem nicht lösen kann, hätte morgen schon kein EU-Staat mehr eine Regierung! Oder haben die EU-Staaten ihre Finanz-, Währungs- und Schuldenkrisen etwa schon gelöst??

     

    Und zweitens geht die russ. Regierung durchaus gegen die Korruption vor. Haben Sie den berühmten Fall Chodorkowski etwa schon vergessen? Da hat die russ. Justiz dem reichsten und skrupellosesten Oligarchen das Handwerk gelegt, der durch ein weitreichendes Korruptionsgeflecht seine Milliarden angehäuft hat. Oder die Gehaltserhöhungen für Polizisten, die diese weniger anfällig für Schmiergeld machen. Oder die Entlassung von Moskaus Bürgermeister Luschkow, gegen den immer wieder Korruptionsvorwürfe erhoben wurden.

  • D
    Denis

    @benz: Wenn die russische Regierung keine Ideen zur Lösung der Probleme RUs hat, soll sie abtreten. Nur so als Vorschlag, wie wäre es mit der Bekämpfung der Korruption ? Ups, da müssten Putin und Klein-Medwedew ja sich selbst bekämpfen.

  • JL
    julius lieske

    "Die Mitglieder der Liga haben alles, Geld, Immobilien, Anerkennung … Es sind"

    Arschgeigen.

  • B
    Benz

    Auch in diesem Interview waren wieder einmal keine konkreten Lösungsvorschläge für RUs Probleme zu lesen.

    Die radikale ausserparlamentarische Opposition überzeugt einfach nicht. Auch diese Dame hat nur subjektive Vorwürfe, nichts als persönliche Antipathie gegen Putin, zu bieten. Das ist als politisches Programm etwas wenig.

  • I
    imation

    "Blut wird fließen, fürchte ich."

     

    Man sollte schon mal über eine Flugverbotszone zum Schutz der friedliche Revolutionäre nachdenken.

  • PB
    Peter Bitterli

    Kritisches Interview, KHD! Gratuliere....

  • HS
    Hari Seldon

    Zitat aus dem Artzikel: "Putin zwingt den kreativen Teil der Gesellschaft in die Emigration.".

     

    Bitte, meint die Dame die Raubprivatizatoren, welche Russland ausgeraubt haben? Eigentlich hat die Dame Recht: Diese Räuberbande war/ist sehr kreativ. Habe das Gefühl, dass die Bevölkerung von diesen Parasiten nicht besonders begeistert wäre. Wie die Partei der Dame: Unter 3%, Aber dafür ist die Veste umso grösser.

     

    Die TAZ sollte besser aussuchen, mit welchen Leuten sich einlassen würde. Diese "kretiven" sind genau die Neoliberalen: Der "richtige" Partner für die TAZ. Die Masche "Menschenrechte" wird in Russland ganz sicher nicht funktionieren.

  • P
    Peter

    Liebe Demonstranten: was wollt ihr eigentlich konkret? Außer dem nicht greifbarem Freiheitsgeschwafel?

     

    Russland hat in den letzten 15 Jahren unter Putin:

     

    - sich von einem kompletten Wirtschaftszusammenbrich erholt

    - seine weltpolitische Stellung ausgebaut

    - sinkende Arbeitslosigkeit bei steigenden Löhnen

    - stetig steigenden Lebensstandart

    - stetig steigendenden Konsum

     

    Was kann man denn noch mehr für ein Land, welches durch den totalen Zusammenbruch gegangen ist, verlangen?

     

    Soll es in Russland, nach dem es so weit vorwärts ging, ab jetzt Zustände wie in Tunesien, Ägypten, Libyen und Syrien geben?!

  • PB
    Peter Bitterli

    Wer freut sich denn da schon aufs Fliessen des Blutes? Doch nicht etwa der Korrespondent?

    Die Negativpropaganda, Schwarzmalerei und Skandalisierung bis zum Blutfliessen, die KHD betreibt, wird ja möglicherweise noch von den Redaktoren der TaZ geglaubt. Die Mehrheit der Leser hat sich längst ausgeklinkt. Das gilt übrigens für nahezu die gesamte Presse. es ist genau wie seinerzeit in der guten alten SU mit der "Pravda". Keiner glaubt der veröffentlichten Meinung. Die aber veröffentlicht weiter.

  • L
    lawikuwi

    Ihren Kommentar hier eingebenWar der besoofene Jelzin besser für Rußland?Putin muß auch Zeit haben änderungen durchzustzen.Putin wird nur negativ dargestellt die Opposition sind immer die Guten, egal was sie machen oder reden.Viele Russen die ich kenne sagen unter Putin hat es die ersten positiven Veränderungen gegeben.

  • R
    Ruslan

    Von wem werden die bezahlt, selbst für Doofe muß doch klar sein, dass diese innenpolitischen Spannungen dem aggressiven kriegerischen NATO Staaten gerade zu Recht kommen.

     

    Es wird zunehmend schwerer das lesende Publikum zu verblöden.

  • A
    Ashkenazi

    Was ich über Rußland lese erinnert mich ehr an Deutschland !