piwik no script img

Opernmusiker drohen mit StreikStille im Orchestergraben

Die MusikerInnen der drei Opern streiken für mehr Geld, das Land will nicht mehr bezahlen. TänzerInnen und SängerInnen müssen ohne Orchesterbegleitung auftreten.

Sie singen weiterhin. Aber die instrumentale Untermalung streikt. Bild: dpa, Claudia Esch-Kenkel

Für gewöhnlich befinden sich bei Händels "Orlando" nur die SängerInnen auf der Bühne in verzweifelter Liebeslage. Doch an jenem Opernsonntag Anfang Oktober blieb es nicht dabei. Als das Publikum nach der Pause zurück an die Plätze raschelte, vorsorglich noch einmal in die Armbeuge hustete, war der Orchestergraben leer. Die MusikerInnen der Komischen Oper streikten. Er habe sich den Abend auch anders vorgestellt, sagte ein Mitarbeiter und ließ einen Flügel auf die Bühne schieben. Wer wolle, könne gehen. Die meisten Gäste blieben sitzen.

Seit Ende September hat die Musikergewerkschaft Deutsche Orchestervereinigung (DOV) den Arbeitskampf freigegeben. Deshalb haben sich die MusikerInnen an den letzten beiden Opernsonntagen sowohl in der Deutschen als auch in der Komischen Oper vorzeitig aus den Orchestergräben verabschiedet oder verspätet angefangen zu spielen. "Kleine Nadelstiche" nennt das der Geschäftsführer der DOV, Gerald Mertens. Aber die Trompeten, Geigen und Klarinetten könnten noch häufiger verstummen, vielleicht sogar in der besucherstarken Weihnachtszeit. Denn der Graben ist tief zwischen der DOV und der Berliner Opernstiftung auf Arbeitgeberseite.

Im Jahr 2003, kurz vor einer neuen Tarifanpassung, war das klamme Berlin aus dem Flächentarifvertrag der OrchestermusikerInnen ausgestiegen. Die Gehälter der Berliner MusikerInnen befinden sich deshalb laut Mertens auf dem Niveau von 2001, rund 12 Prozent weniger als im bundesweiten Vergleich. Seit Ende September liegt nun der Entwurf für einen neuen Berliner Tarifvertrag auf dem Tisch.

Tanz zu Musik vom Band

"Unzumutbar" findet Gerald Mertens vor allem die so genannte Aushilferegelung, nach der nicht ausgelastete MusikerInnen unentgeltlich an die anderen Opernhäuser ausgeliehen werden können. Darüber tröstet ihn auch die vorgesehene Tarifsteigerung um 4,5 Prozent nicht hinweg. "Das würde bedeuten, dass die Berliner MusikerInnen alle Pflichten aus dem Flächentarifvertrag übernehmen müssten, aber trotzdem immer noch rund acht Prozent weniger verdienen würden", kritisiert Mertens. Außerdem seien weitere Anpassungen bis 2014 im Vertragsentwurf ausgeschlossen. Seine Gewerkschaft fordert daher die Ankopplung an die Entwicklung der Gehälter im Öffentlichen Dienst.

"Ich habe wenig Mitleid mit den Orchestermusikern", sagt Peter F. Raddatz, Generaldirektor der Berliner Opernstiftung. Sie seien doch schon die am besten bezahlte Gruppe in den Opern und wollten jetzt nochmal mehr als alle anderen. Die DOV sei die letzte Gewerkschaft, mit der noch kein Tarifabschluss erzielt worden sei. Die Gewerkschaften der Chöre, der TänzerInnen und SolistInnen seien auf die Anpassung um 4,5 Prozent sowie 65 Euro monatlich mehr ab 2011 und zwei Einmalzahlungen eingegangen. Nur die DOV sei aus den Tarifverhandlungen ausgestiegen. "Wenn wir denen jetzt mehr geben, was denken Sie, was dann hier losgeht", sagt Raddatz. Wenn weiter gestreikt wird, dann müsse das Ballett zur Not zum Band tanzen. Oder die Sänger zum Klavier singen - wie bei "Orlando".

Dort hatte sich das Publikum auch den letzten Akt gefallen lassen. "Es war trotzdem ein wunderbarer Abend", sagt eine Besucherin. Und im Anschluss im Foyer habe man noch heftig diskutiert. "Was braucht Berlin denn drei Opernhäuser", sagten die einen. "Ist doch völlig klar, dass die ordentlich bezahlt werden müssen", die anderen.

Opernstiftung und OrchestermusikerInnen wollen trotz aller Differenzen noch im November weiter verhandeln. Pünktlich vorm Weihnachtsgeschäft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • WS
    Wendula Strube

    @gmeier

     

    Wie kommen Sie darauf, dass ich 365 Tage meine? Ich rede von Spielabenden. Da müssten wir erst herausfinden, wie viele Spielabende es gibt und könnten dann die 99.000.000,00 EUR zu Grunde legen.

     

    Es geht mir um die Schließung einer Oper, die z. B. privat finaziert werden kann, dann geht der Spielbetrieb dort eben privat weiter, ohne staatliche Subventionen. Aber wenn die Schulen weiter so wenig Geld erhalten, dann lernen unsere Kinder nie, dass Pisa eine Studie und kein Obst ist.

     

    Zwei staatliche Opern reichen völlig, wenn dadurch Kitas, Schulen und Unis besser ausgestattet werden können, als Bühnenbilder.

  • G
    gmeier

    Schön gerechnet, Frau Strube, aber leider falsch.

    Die Berliner Opern bekommen amme zusammen im Jahr 99 Mio, macht pro Tag 270.000 €.

    Diekutieren, wo man einsparen kann, ist sicher legitim, ein Bühnenbild muss auch nicht so viel kosten wie ein Einfamilienhaus, aber dieses "scgließen, jetzt" ist doch ein bisschen zu einfach.

    Mementan ist die Situation doch die: Wir schaffen die Kulturelle Bildung ab (kein Musikunterricht an BW-Grundschulen), schliessen Theater, Orchester und Opernhäuser, reduzieren also das Angebot an Kultur drastisch. Klar haben wir dann mehr Geld für andere Dinge, aber haben wir dann auch mehr Lebensqualität?

  • R
    ritchie

    Es gibt nichts Besseres was einem passieren kann als der Job als Abspielmusiker im Graben.

     

    Dagegen ist ein Beamter ein freischaffender Künstler.

    Die armen Schweine oben auf der Bühne verdienen meist viel weniger.

     

    Die Musiker haben sogenannte Versorgungsverträge, die schon längst mal gekürzt gehört hätten.

     

    Nebenbei machen die Musiker noch ein einträgliches Geschäft mit Privatunterricht oder Unterricht an Akademien, spielen in Bands etc.

  • WS
    Wendula Strube

    881.640,00 EUR Subventionen pro Abend, Hochmut kommt vor dem Fall!!!

     

    Soso, also ein ganzes Schwein ist noch zu wenig? Mhm, lasst mal überlegen! Es gibt drei Staatsopern in Berlin, wo sonst auf der Welt gibt es das eigentlich? Richtig, gar nicht! Je Abend und Platz werden diese Opernhäuser mit 186,00 EUR subventioniert, bei 100 % Auslastung macht das macht ca. 1.400 X 186,00 EUR = 260.400,00 EUR für die Die Staatsoper Unter den Linden, 2.000 X 186,00 EUR = 372.000,00 EUR für die Die Deutsche Oper und 1.340 X 186,00 EUR = 249.240,00 EUR für die Komische Oper, addiert macht das Summa summarum 881.640,00 EUR pro Abend!!! Also was wollen diese modernen Minnesänger denn noch? Nein, hier kommt Hochmut vor dem Fall und ich hoffe sehr stark, dass endlich umverteilt wird. Kindergärten, Schulen, Universitäten bringen Zukunft, aber keine einzige Oper. Oper singt wohl eher von der Vergangenheit und zukünftig mind. eine Oper in Berlin das Lied von der Titanic.

     

    Eine Oper sofort zu Gunsten von Kindergärten, Schulen und Unis schließen, jetzt!