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Onlinepetition gegen AltersvorsorgepflichtSelbstständige verweigern Zwangsrente

Ein IT-Spezialist ist mit einer Onlinepetition gegen die geplante Altersvorsorgepflicht für Kleinunternehmer erfolgreich. Mehr als 50.000 Unterschriften wurden gesammelt.

Ist gut rentenversichert und hat gut Lachen: Ursula von der Leyen. Bild: dpa

BERLIN taz | Tim Wessels, 27 Jahre alt, ist IT-Spezialist aus Hamburg und erfolgreich mit seiner Firma. Doch was Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) jetzt plant, hat ihn auf die Palme gebracht. „Die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige ist ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit“, rügt Wessels. „Und dass es besonders die unter 30-Jährigen trifft, ist ungerecht“.

Wessels hat eine Onlinepetition gestartet und ist mit ihr erfolgreich. „Jeden Tag kommen einige tausend Unterschriften dazu“, berichtet er. Bis Dienstag müssen 50.000 Unterschriften gesammelt sein, damit die Petition im Bundestag gehört werden kann. Am Donnerstag hatte der Bundestag mehr als 54.000 MitzeichnerInnen registriert – Ziel erreicht. Mit der Beschwerde wenden sich die UnterstützerInnen gegen die Pläne von der Leyens, Selbständige per Gesetz zur Altersvorsorge zu verpflichten.

Nach dem Konzept der Ministerin müssten Selbstständige künftig nachweisen, dass sie in eine private oder gesetzliche Rentenversicherung allmonatlich so viel einzahlen, wie nötig ist, um später damit zumindest das Niveau der Grundsicherung (Hartz IV) zu erreichen. Das Ministerium errechnete bei 45 Jahren Einzahlung monatliche Beiträge in Höhe von 250 bis 300 Euro. Wer erst später in die obligatorische Altersvorsorge startet, müsste sogar noch höhere Beiträge entrichten.

Die obligatorische Altersvorsorge gilt nicht für FreiberuflerInnen, die über ihre berufsständischen Versorgungswerke abgesichert sind, und Mitglieder der Künstlersozialkasse. Nicht herangezogen werden auch die bereits heute über 50-jährigen UnternehmerInnen.

Für bereits jetzt selbstständig Tätige zwischen 30 und 50 Jahren sollen „pragmatische Übergangsregelungen“ gelten, heißt es in einer Mitteilung des Bundesarbeitsministeriums. Die Vorsorgeverpflichtung greife jedoch „voll bei den Personen, die 30 Jahre und jünger sind“. Allerdings soll es auch hier etwa in der Gründungsphase eines Unternehmens Erleichterungen geben.

Mehr als 300 Euro für die Rentenkasse

Monatlich mehr als 300 Euro in die Rentenkasse abzuführen, wird von vielen jungen Soloselbstständigen als schwere Belastung empfunden. Eine solche Pflichtversicherung wäre für viele, insbesonders junge Selbstständige „existenzbedrohend“, heißt es in der Petition. Manche KleinunternehmerInnen könnten durch die Zwangsabgabe dann auf ein Nettoeinkommen sinken, das noch geringer ist als das Existenzminimum. „Wenn die Leute durch diese Pflichtversicherung in Hartz IV landen, ist keinem gedient“, meint Wessels.

Die Grünen befürworten eine obligatorische Altersvorsorge. Sie fordern steuerliche Zuschüsse zu den Rentenbeiträgen für KleinverdienerInnen, die verhindern, „dass Erwerbstätige mit niedrigen Einkommen durch die Rentenbeiträge in Hartz IV fallen“, sagt Wolfgang Strengmann-Kuhn, rentenpolitischer Sprecher der Grünen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ist für eine obligatorische Altersvorsorge. „Grundsätzlich sollten sich aber auch die Auftraggeber der Kleinunternehmer an den Beiträgen beteiligen“, sagte DGB-Bundesvorstand Annelie Buntenbach.

Dass die heiklen Fragen wie der Umgang mit Neugründungen, schwankenden und niedrigen Einkommen der KleinunternehmerInnen noch ungeklärt sind, bestreitet man auch im Bundesarbeitsministerium nicht. „Diese Punkte werden noch sondiert“, sagte ein Ministeriumssprecher der taz. Noch im Mai soll dem Kabinett ein Eckpunktepapier vorgelegt werden, einen Gesetzentwurf gibt es noch nicht. Ob die obligatorische Altersvorsorge im Juli 2013 bereits kommt, wie ursprünglich geplant, ist keineswegs sicher.

Um die technische und bürokratische Umsetzbarkeit der Vorsorgepflicht für Selbstständige sicherzustellen, hat das Ministerium das Beratungsunternehmen McKinsey mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt. Der Auftrag hat ein Volumen von 1 Million Euro. Die Studie soll Ende Juni vorliegen.

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8 Kommentare

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  • MH
    M. Huber

    Es wird davon ausgegangen, daß man Rentenzahlungen beziehen will, daß Arbeit keinen Spaß macht, daß man möglichst früh ins Nichtstun kommen will...

    Ich will weder zu Arbeiten aufhören, ich will keine Rente, ich will keine Zahlungen vom Staat, ich werde locker bis an mein Lebensende selbstfinanziert leben können...

     

    Ich freue mich über meine selbstständige Arbeit - tagtäglich; ich kann gar nicht genug davon bekommen. Ja das ist mein voller Ernst! Das wird der ein oder andere nicht verstehen. Aber das gibt es.

     

    Berufsunfähigkeit? Bei mir? Unmöglich. Meine Flexibilität und meine Qualitäten auf zahlreichen Gebieten, gekoppelt mit meiner alles überragenden Lebensfreude und Energie - ich werde immer was tolles und für die Gesellschaft nutzbringendes finden. Letzteres ist ein Grundprinzip von mir. Das Gegenteil des überall anzutreffenden Ellbogenverhaltens.

     

    Ich könnte mehr verdienen, würde dann aber der Gesellschaft weniger bis keinen Nutzen bringen, ja eher Schaden. Ganz so wie es zahlreiche Politiker, Manager, Industrielle, Aktienhaie, Heuschrecken etc. vormachen.

     

    Dieser bevormundene Blödsinn der Altersvorsorgepflicht ist ja nur einer von zahlreichen sinnlosen Knüppeln. Typischerweise werden auch hier wieder andere Länder als "Vorbilder" herangezogen: Frau von der Leyen erwähnte den Vgl. mit USA. In Deutschland summieren sich leider die miesen Dikate und Zwangsmaßnahmen die es auch in anderen Ländern gibt.

  • C
    Celsus

    Kleine und mittlere Unternhemen sorgen schon für mehr Arbeitsplätze als die umhätschelten großen Konzerne einschließlich der privaten Versicherungswirtschaft mit dern Spendeneifer gegenüber Parteien.

     

    Allerdings sind viele von denen am Existenzminimum und können nicht einfach für ihre Altersversorgung jetzt schon aufkommen. Das ist Folge der einseitigen Exportorientierung und der dafür im gleichen Atemzug kaputt gemachten Binnenkonjunktur. Interessenvertretung der kleinen Selbständigen ist die CDU-Ministerin damit nicht. Sie füttert mit den kleinen Fischen dann lieber die großen Haie.

  • S
    simone

    Eigentlich kann man nur noch den Kopf schütteln: da wird die Arbeitslosenstatistik "geschönt" indem man durch Förderungen Klein(st)unternehmen entstehen lässt, um dann im selben Atemzug diese Leute wieder auszubremsen.

     

    Die bunte Angebots-Landschaft in Deutschland ist geprägt von Klein(st)Unternehmen. Ist es wirklich ratsam, diese Unternehmen alle zu schliessen?

    Warum soll es nicht möglich sein, mit einer Idee in etlichen Jahren doch einen Markt zu finden. Warum soll es unmöglich sein, mit seinem "Traum" und nach jahrelanger (Einkommens-)Durststrecken sich wirklich eine Geschäftsmöglichkeit aufzubauen?

     

    Es ist unabhängig vom Alter: nicht nur die unter 30 jährigen, auch etliche 40- oder 50- Jährige stehen mit ihrem Idealismus tagtäglich im Geschäftsleben - in allen unterschiedlichen Branchen - und suchen ihre Nische.

     

    Was hilft es, all die Klein(st)Unternehmen zu schliessen? Dann fliesst gar kein Geld mehr in die Staatskassen: unterm Strich - verarmt das Angebot und der Staat hat noch weniger Geld.

     

    Hauptsache McKinsey hat wieder ein paar Groschen Einnahmen :-(

     

    Ich kann nur noch den Kopf schütteln!

     

    Ich kann nur hoffen, dass Ihr wie insgesamt auch andere Medien weiterhin über solches Vorgehen informieren, damit man weiss, dass man sich mal wieder aufregen und laut protestieren muss.

  • IB
    Ideal Bürger

    @Der Querulant

     

    "Da stellt sich doch wirklich die Frage, ob derartige Scheinselbständigkeit nicht besser beendet wird, bevor sie in Altersarmut mündet."

    > ...gilt natürlich auch für abhängigbeschäftigte Geringverdiener oder?

    > ...sollten Frauen nicht auch erstmal eine gute Altersvorsorge vorweisen, bevor ihnen erlaubt wird sich auf das Hausfrauendasein zurück zu ziehen?

     

    Falls es Ihnen um die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbständigen geht:

    > ...möchte ich als Selbständiger künftig auch keine Gewerbesteuer mehr zahlen

    > der geseztliche Kündigungsschutz sollte dann auch abgeschafft werden

     

    Man vergleicht einfach Äpfel mit Birnen.

     

    Natürlich ist es ein Privileg wenn der Staat einem nicht in die Altersvorsorge hineinmurkst. Allerdings haben wir viele unterschiedlich priviliegierte ggf. auch benachteiligte Gruppen (Landwirte, Beamten, Ärzte, Architekten, Künstler etc.).

    Solange kein wirklich faires und einheitliches System für alle eingeführt wird, möchte ich auf mein Privileg auch nicht verzichten.

  • F
    FranKee (Pirat)

    Mich würde rasend interessieren, wieviele Mannstunden McKinsey denn für diese 1-Millionenstudie angesetzt hat.

     

    Mit anderen Worten: Was denn der Stundenlohn dieser Herrschaften sein wird. Ich tippe auf einen niedrigen dreistelligen Betrag. (die sich schon unter Gazprom-Gerd an den Hartz-IV "Reformen") eine golgene Nase verdient haben.

     

    Die mit den ausgenommenen "berufsständischen Versorgungswerken" sind übrigens (siehe offizieller Entwurf) genau die üblichen FDP-Berufe!! Wäre ja auch ein Skandal, z.B. Anwälte zu belasten...

  • A
    aurorua

    Altersvorsorgepflicht für Politiker und Beamte ohne Einkommenserhöhungen. Beitragsfreie exorbitante Pensionen zu Lasten des Steuerzahlers sind abzuschaffen.

  • DQ
    Der Querulant

    Da hat Ursula von der Leyen einmal ein sehr wichtiges Thema aufgegriffen und grundsätzlich auch eine richtige und notwendige Lösung vorgeschlagen.

     

    Selbstverständlich werden dabei viele, nicht nur junge, Selbstständige auf der Strecke bleiben, die heute schon ihre Krankenversicherung kaum noch bezahlen können. Leben sie doch sowieso schon an oder unter der Armutsgrenze.

     

    Da stellt sich doch wirklich die Frage, ob derartige Scheinselbständigkeit nicht besser beendet wird, bevor sie in Altersarmut mündet. So mancher Selbstständige wäre wirklich besser beraten, seine Selbstständigkeit zu beenden.

     

    Daß sich gut verdienende Selbstständige gegen Zahlungen für eine ausreichende Altersversorgung wehren, ist dagegen völlig unverständlich. Der Petition räume ich daher nicht einmal eine Pico-Chance ein.

  • R
    rolfmueller

    Mir ist nicht so ganz klar, an wen sich der Beitrag eigentlich richtet. An die Grünen und ihre Wähler? Oder habe ich was verpasst und die Grünen stellen inzwischen die einzige Oppositionsfraktion im Bundestag?

     

    Ich lege schon Wert darauf, dass ich auch erfahre, was SPD, Linke und Piraten für einen Standpunkt zu einem Thema haben.

     

    Vielen Dank.