: On the road to nowhere
■ Neu im Kino, ein Beitrag aus dem Kino-Finnland vom Meister der Tristesse: „Tatjana“ von Aki Kaurismäki
Valto liebt nur Kaffee und seinen schwarzen russischen Straßenkreuzer. Reino ist zufrieden, wenn ihm die Brillantine aus den Haaren tropft, der Wodka nicht ausgeht und er Valto mit seinen Abenteuern als gefährlicher Rocker vollsabbeln kann. Mit Frauen können die beiden auf ihrer Spritztour durch den Süden Finnlands nun überhaupt nichts anfangen. Beinahe gelingt es ihnen dann auch, die beiden russischen Anhalterinnen, die plötzlich auf ihren Rücksitzen gelandet sind, völlig zu ignorieren. Tatjana und Klavdia sind im Vergleich zu ihnen geradzu weltläufig, aber auch wenn sie für alle Kartoffelsuppe kochen und zur Beatmusik aus dem im Auto eingebauten Plattenspieler die Tanzbeine schwingen, bleibt die Kommunikation zwischen den Geschlechtern extrem minimalistisch.
Fast schien es schon so, als müßte man von diesem Kino-Ffnnland endgültig Abschied nehmen. Aki Kaurismäkis absurde Tristesse, mit der er in seinen frühen Filmen wie „Schatten im Paradies“ und „Ariel“ seine Heimat so lakonisch wie boshaft portraitierte, trat in seinen letzten Filmen immer mehr in den Hintergrund. In „I Hired a Contract Killer“ und „La Vie de Boheme“ gelang es ihm zwar noch verblüffend, London und Paris wie die Slums von Helsiki aussehen zu lassen, aber seine beiden letzten Filme mit den Leningrad Cowboys mißrieten ihm so gründlich, daß man sich ernsthaft Sorgen um ihn machen mußte.
Bei seinem neuen Film scheint er nun die Notbremse seiner vielleicht zu internationalen Karriere gezogen zu haben. Er kehrte zurück zu seinen Anfängen und drehte ein bescheidenes Roadmovie in schwarz/weiß. Während die letzten Filme zunehmend länger wurden, hat er auch wieder zu seiner idealen Spielfilmlänge von etwas mehr als 60 Minuten gefunden. Und neben Matti Pellonpää (der in Kaurismäkis Filmen genauso unverzichtbar ist wie die grauenhafte finnische Schlagermusik) erinnert man sich noch gut an das Mädchen aus der Streichholzfabrik Kati Outinen, die jetzt als Tatjana ähnlich fremd in ihrem eigenen Körper wirkt.
Kaurismäki hat ein besonderes Talent dafür, Konsumwaren wie Autos, Möbel, Kleidungsstücke oder Radios so zu plazieren und aufzunehmen, daß sie oft treffender die Gemütstzustände der Filmfiguren beleuchten als die Schauspieler selber. „Tatjana“ ist angefüllt mit den seltsamsten Dingen aus den 60er Jahren: eine Kaffeemaschine für das Auto (mit 12 Volt-Anschluß für den Zigarettenanzünder), ein Oberhemd mit Schlangenmuster oder die spartanischen Einrichtungen der Cafes und Hotels.
Kaurismäki versucht mit diesem Film nichts Neues, aber man hat auch nie das Gefühl, daß er beginnt sich selber zu zitieren. Das unterscheidet ihn von Jim Jarmusch (der ja in „Night on Earth“ sogar kräftig von Kaurismäki abkupferte).Im Vorprogramm läuft Jarmuschs Kurzfilm „Coffee and Cigarettes“ und hier kann man genau studieren, wie abgestanden ein Filmstil wirken kann, wenn der Regisseur sich zu sehr auf seine Tricks verläßt. Zwei Männer reden recht dröge miteinander in einem Coffeshop, und wenn sie nicht Iggy Pop und Tom Waits heißen würden, und das ganze als Jim Jarmusch Film nicht automatisch Kultstatus hätte, würde kein Hahn danach krähen. Aber vielleicht lernt man nach diesem Vorfilm Kaurismäkis Originalität erst richtig zu schätzten. .
Wilfried Hippen
Cinema tägl. 21 Uhr
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