: Olympiastadion ist WM-untauglich
„Erhebliche Mängel“ an der Sicherheit der Berliner WM-Spielstätte attestiert eine Studie der Stiftung Warentest. Der Reportergraben könnte für Fans zur tödlichen Falle werden
Falls es bei einem WM-Spiel im Berliner Olympiastadion zu einer Massenpanik kommen sollte, könnten tausende Fans nicht rechtzeitig evakuiert werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Stiftung Warentest, in der bundesweit alle zwölf WM-Stadien auf ihre Sicherheit geprüft wurden.
Die Studie attestiert dem Olympiastadion „erhebliche Mängel“ in puncto Sicherheit. Die Tester kritisieren vor allem den fast drei Meter tiefen Reportergraben, der den Zuschauerraum vom Spielfeld trennt. Würden die Fußballfans bei einer möglichen Panik auf das Spielfeld drängen, könnte der Graben zum unüberwindbaren Hindernis werden. Dabei wurde die Spielstätte von August 2000 bis Juni 2004 für stolze 242 Millionen Euro gründlich saniert. Damit sollte sie WM-tauglich gemacht werden.
Peter von Löbbecke bestreitet die Vorwürfe der Tester: „Der Graben ist Teil eines denkmalgeschützten Gebäudes und besteht seit 70 Jahren“, sagt der Chef des Olympiastadions. „Er dient der Sicherheit, damit keine Unbefugten in den Innenraum gelangen können.“ Für die Evakuierung will er er transportable Brücken einsetzen, die im Panikfall über den Graben gelegt werden. So soll ein Stau in den unteren Rängen verhindert werden.
Eine Katastrophenübung im November scheiterte allerdings kläglich. Damals dauerte es mehr als 20 Minuten, bis die Sicherheitskräfte eine einzige Brücke über dem Graben gelegt hatten. „Das dauerte viel zu lange, die Leute wären alle in den Graben gefallen“, sagt Falk Murko, der für das Magazin der Stiftung Warentest die Studie begleitet. Auch das Denkmalschutz-Argument für den Graben lässt er nicht gelten: „Man hätte diskutieren müssen, ob das aus Sicherheitsgründen richtig ist.“
Der Chef des Olympiastadions hält dagegen: „Die erste Übung war zwar lobenswert, aber die kommenden Übungen werden professioneller über die Bühne gehen“, sagt von Löbbecke. Er verspricht, die Evakuierungszeit bis zur WM auf fünf Minuten zu drücken.
Die Stiftung Warentest favorisiert als Sicherheitsvorkehrung Fluchttore zwischen Zuschauern und Spielfeld, die im Bedarfsfall schnell geöffnet werden können. Dazu müsste allerdings der Reportergraben komplett umgebaut werden.
Neben den fehlenden Fluchtmöglichkeiten kritisieren die Warentester auch die langen Ausgangstreppen im Fanblock, die Führung des Fluchtweges vom Business-Innenbereich und die Höhe der Stufen in den oberen Rängen. Auch der Brandschutz sei nicht optimal, so die Stiftung Warentest.
Insgesamt stellt die Studie bei vier WM-Stadien „erhebliche Mängel“ fest (siehe Seite 19).
Der Senat weist die Kritik zurück: „Alles, was gebaut wurde, entspricht den Regeln der Bauordnung und den Wünschen der Fifa“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD).
Der CDU-Landesvorsitzende Ingo Schmitt fordert den Senat auf, die Ergebnisse der Studie sorgfältig zu prüfen: „Wenn es auch nur den Hauch eines Zweifels an der Sicherheit der Zuschauerinnen und Zuschauer gäbe, müssen die Verantwortlichen unverzüglich reagieren.“
Nun bleiben bis zur WM noch rund fünf Monate, um mögliche Sicherheitsmängel zu beheben. Doch die Fußball-Bundesliga beginnt bereits Ende Januar. Und auch dort muss die Sicherheit der Fans gewährleistet werden.
MARTIN REISCHKE