Olympia-Teilnahme russischer Athleten: Bach und der Bann

Das IOC berät über die Zulassung von Russland und Belarus zu den Olympischen Spielen von Paris. Im ukrainischen Sport ist man entsetzt darüber.

Zwei Fechterinnen während eines Kampfes

Bild ohne Zukunft: Olga Charlan auf der Planche Foto: Xinhua/imago

„Wünschen Sie uns viel Glück!“ Mit diesen Worten wandte sich Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, in der vergangenen Woche an das Publikum. In der Philharmonie von Essen sprach er zum Thema „Olympia im Spannungsfeld von Sport und Politik“. Im Zentrum seiner Ausführungen stand die Frage nach der Zulassung von Sportlerinnen und Sportlern aus Russland und Belarus zu den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris.

Die Exekutive des IOC trifft sich in dieser Woche in Lausanne. Am Dienstag steht die Frage der Wiederzulassung von Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus, die seit Beginn des Angriffskriegs ihrer Staaten auf die Ukraine vom internationalen Sportbetrieb weitgehend ausgeschlossen sind, auf der Tagesordnung. Bach ließ keinen Zweifel daran, dass er die Tür für Russinnen und Belarussen öffnen möchte. Er weiß, dass das umstritten ist. Deshalb braucht er die guten Wünsche.

Für die über 250 Sportlerinnen und Sportler, die den kriegerischen Angriffen Russlands zum Opfer gefallen sind, stellt sich die Frage nach Glück im Leben nicht mehr. Auf das Schicksal jener Menschen wollte das Team der Degenfechterinnen aus der Ukraine beim Weltcup am Sonntag im chinesischen Nanjing aufmerksam machen. Ein Plakat mit Bildern der ums Leben gekommenen Athletinnen und Athleten wurde ihnen umgehend abgenommen. Mit „Angels of Sports“ war es überschrieben, Engel des Sports.

Es war der vielleicht letzte Auftritt ukrainischer Fechterinnen auf der großen Bühne. Mitte März hatte der Internationale Fecht-Verband beschlossen, dass ab April wieder Teams aus Russland und Belarus an Weltcup-Wettbewerben teilnehmen dürfen. „Ich fühle mich leer“, schrieb daraufhin Olga Charlan, eine der erfolgreichsten Säbelfechterinnen der letzten zwei Dekaden, auf Instagram.

Verantwortung der Athleten

Der ukrainische Fechtverband machte klar, dass seine Sportlerinnen und Sportler nicht antreten werden, wenn Teams aus Russland und Belarus teilnehmen würden. Charlan, Olympiasiegerin von 2008, hat in diesen Zeiten, in denen „die Bomben auf dein Haus und dein Land fallen, in denen du in Luftschutzkellern leben musst“, kein Verständnis für diejenigen, die sagen: „Athleten sind nicht verantwortlich“, oder: „Wir sind doch alle eine Familie und sollten in Frieden miteinander leben.“

Einer, der genau das predigt, ist Thomas Bach. „Die Geschichte wird zeigen, wer mehr für den Frieden tut. Diejenigen, die versuchen, Grenzen offen zu halten, oder diejenigen, die isolieren und spalten wollen“, hat er in Essen gesagt und dabei den ukrainischen Sportlerinnen und Sportlern die Rolle als Spalter zugewiesen.

Einmal mehr überhöht er die Rolle seiner Sport­organisation und inszeniert das IOC als Friedensprojekt. Sein liebstes Beispiel dabei sind die Olympischen Winterspiele von Pyeongchang 2018. Damals trat eine koreanische Mannschaft an, bei der man dem Team des Ausrichters Südkorea noch ein paar Athletinnen aus Nordkorea beigemischt hatte. Ausgerechnet der menschenrechtsverachtende Diktator Kim Yong Un hatte mit der Entsendung von ein paar Sportlerinnen Bachs Idee von den Friedensspielen Nahrung gegeben.

Und ausgerechnet die Menschenrechte, um die sich Olympia nie schert, wenn es um die Vergabe von Spielen etwa nach China geht, sind es nun, mit denen das IOC für die Wiedereingliederung von Russinnen und Belarussen in die Sportwelt wirbt. Zwei UN-Sonderberichterstatterinnen bezeichnen es als diskriminierend, Menschen von Olympia auszuschließen, nur weil sie einen bestimmten Pass haben. Alexandra Xan­thaki, Sonderberichterstatterin für kulturelle Rechte, und Ashwini K. P., Sonderberichterstatterin für zeitgenössische Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit, liefern Bach die Argumente für einen Stopp des Russenbanns.

Militär im Trainingsanzug

Xanthaki hat ihre Vorstellungen von Diskriminierung über 200 Sportlerinnen und Sportlern aus aller Welt vorgestellt und schreibt auf Twitter, dass es vor allem im Globalen Süden große Zustimmung zu ihren Thesen gebe. Der Großteil der Teams aus Russland und Belarus setzt sich aus Angehörigen von Militär und Polizei zusammen, auch das ist für Xan­thaki kein Problem.

Wo denn die Grenze sei, wollte der ukrainische Skeletoni Wladislaw Heraskewitsch, der bei den Spielen in Peking 2022 ein Schild mit der Aufschrift „No war in Ukraine“ in die Kameras hielt und seither als Sportler, Aktivist und freiwilliger Unterstützer der Truppen unterwegs ist, von Xanthaki wissen.

Sie hat einen Vorschlag für eine mögliche Regelung: „Alle Athleten, gegen die schwerwiegende und substantielle Vorwürfe erhoben werden, sie hätten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, einen Genozid begangen und/oder Propaganda dafür gemacht, sollen ausgeschlossen werden.“ Das müsste eigentlich das Olympia-Aus für die russischen Superzwillinge in der rhythmischen Sportgymnastik, Dina und Arina Averina, bedeuten, die bei der Stadionkundgebung zum Jahrestag der Krim-Annexion 2022 neben Putin mit dem Kriegssymbol „Z“ auf dem Trainingsanzug aufgetreten sind. Man wird sehen.

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