Olympia-Präsentation vor dem IOC: Miese Maße in München
Die Olympia-Bewerberstädte präsentieren sich nun dem IOC. Annecy hat keine Chance mehr, Münchens andere Konkurrenzstadt Pyeongchang umso mehr.
MÜNCHEN taz | Das Prozedere nennt sich "technische Präsentation". Die Bewerberstädte für die Olympischen Winterspiele 2018, Pyeongchang, Annecy und München, haben am Mittwoch 45 Minuten Zeit, um den IOC-Mitgliedern in Lausanne zu zeigen, dass sie in der Lage sind, die Spiele auszurichten.
Natürlich sind technische Angelegenheiten wichtig. "Sie können ja keine Abfahrtsstrecken verschieben", sagt Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds. "Insgesamt bietet die Präsentation die Chance, die Substanz unserer Bewerbung noch einmal herauszuarbeiten."
Die Münchner setzen dabei auf Einspieler aus diesem Winter: Jubelnde Menschen bei der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen, der Bob- und Skeleton-WM am Königssee und beim Parallelslalom im Münchner Olympiapark sollen die IOC-Mitglieder überzeugen, wobei Kritiker stets spotten, dass die allermeisten IOC-Mitglieder sowieso nach dem Bauchgefühl entscheiden.
Zur Vorbereitung auf die Präsentation am IOC-Sitz in Lausanne haben die Verantwortlichen der Städte die gleiche Lektüre genutzt. "Report of the IOC 2018 Evaluation Commission" heißt das Werk: 119 Seiten in englischer Sprache, die seit gut einer Woche online abrufbar sind. Bei dem Werk handelt es sich um eine Art Zwischenzeugnis ohne Noten, ausgestellt von einer IOC-Kommission, die im Februar und März Pyeongchang, Annecy und München inspiziert hat.
Annecy hat keine wirkliche Chance mehr
Das wenig überraschende Fazit vorweg: Alle drei Kandidaten könnten "erfolgreiche Spiele" ausrichten. Das zweite wenig überraschende Fazit: Annecy hat keine wirkliche Chance mehr, am 6. Juli den Zuschlag für die Spiele zu erhalten: Die Franzosen bieten nach Ansicht der Prüfer kein kompaktes Konzept, organisatorische Probleme drohen. Außerdem lehnen in Annecy selbst ein Drittel der Bürger die Olympiabewerbung ab.
In München sind nur 15 Prozent der Bürger gegen die Spiele. Trotzdem sorgen die offiziellen IOC-Umfragen für etliche Schweißperlen bei den Münchner Olympiaplanern. Die Maße ihrer Bewerbung: 60:53:56. So hoch ist die prozentuale Unterstützung für die Spiele in München, Bayern und Deutschland. Im Vergleich: Pyeongchang hat die Maße 92:87:87.
Dieser Unterschied könnte den Ausschlag geben, da ansonsten beide Städte im Bericht gut abschneiden. München wird für sein Umweltkonzept gelobt, Pyeongchang für die sehr kompakte Bewerbung. Die Zahlen selbst können die Münchner Olympiaplaner nicht mehr verändern. Aber sie haben sich schon Erklärungsversuche zurechtgelegt. "Seit der Erhebung sind die Zahlen stetig nach oben gegangen", sagt Thomas Bach.
Kati Witt: Schlechte Zahlen Ausdruck "deutscher Mentalität"
"Im Dezember hatten die meisten vermutlich ihre Weihnachtsgeschenke im Kopf", ist die Meinung der Kuratoriumsvorsitzenden Kati Witt. Sie legt noch einmal nach: "Außerdem entsprechen die Zahlen auch der deutschen Mentalität: Wir feiern die Feste erst, wenn sie fallen." Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) argumentiert ganz abenteuerlich: Die fehlende Zustimmung sei ja kein Versäumnis der Olympiabefürworter. "Diese Schwäche geht auf die Gegner zurück", findet er.
"Da hat der Ude ausnahmsweise mal recht", sagt Olympiagegner Ludwig Hartmann von den Grünen. "Die konstant sinkende Zustimmung ist unserer erfolgreichen Aufklärungsarbeit geschuldet." Hartmann sieht auch ansonsten noch Schwachstellen, die im Bericht deutlich werden. "Die Bewerbung hat nur noch einen grünen Anstrich. Ein Großteil der Investitionen fließt zum Beispiel in die Straße und nicht in die Schiene." Außerdem stünden wichtige Grundstücke in Garmisch-Partenkirchen weiterhin nicht zur Verfügung.
Im Bericht des IOC heißt es dazu: "Brauchbare Alternativen müssten gefunden werden." In Pyeongchang dagegen sind alle Grundstücke vorhanden. Trotzdem werden die Grundstücke das Olympiarennen nicht entscheiden. Bei vielen erfolgreichen Bewerbungen der vergangenen Jahre existierten ähnliche, zum Teil gravierendere Probleme. In Vancouver wurden günstige Quartiere für Obdachlose abgerissen, in Peking und Sotschi schwangen die Verantwortlichen die Enteignungskeule. Olympiagegner Hartmann meint dazu: "Durch den Grundstücksstreit steigt die Zustimmung für Olympia 2018 sicher nicht."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren