Olympia-Logo: Affe bei der Morgentoilette
Die Londoner lehnen ihr Emblem für Olympia 2012 vehement ab. Nun geht sogar der bisherige Logo-Verfechter Coe auf Distanz zum Entwurf.
Die Londoner mögen ihr Olympia-Logo nicht. Das Emblem im Graffiti-Stil, das in der britischen Hauptstadt vorgestellt wurde, basiert auf der Jahreszahl 2012, dem Termin der Spiele, und enthält die olympischen Ringe sowie das Wort London. Zum ersten Mal beruhen die Logos für die Olympischen und Paralympischen Spiele auf demselben Entwurf, um die Integration zu demonstrieren. Das Logo kann in Pink, Blau, Grün und Orange verwendet werden.
50.000 Briten meinen jedoch, es sollte gar nicht verwendet werden. So viele Protestanrufe hatte es nach der feierlichen Enthüllung im Fernsehen gegeben. Es sehe aus wie ein zerbrochenes Hakenkreuz, sagte einer. Ein anderer fühlte sich an einen Affen auf einer Toilette erinnert. Und der Schriftsteller Tom Lutz sagte: "Es steht für die vielfarbige Kotze, die sich über Londons Bürgersteige jede Samstagnacht um drei verteilt."
Londons Bürgermeister Ken Livingstone meinte, er würde keinen Penny für diesen "katastrophalen Fehler" ausgeben. Das überlegt inzwischen auch der zweifache Olympiasieger Sebastian Coe, Vorsitzender des olympischen Organisationskomitees. Er sagte, man ziehe in Erwägung, die Gelder für das Logo zurückzuziehen. Kürzlich klang das noch anders. "Es umreißt die Sportstätten, die wir für die Spiele bauen, und soll uns an das Versprechen erinnern, den olympischen Geist zu nutzen, um die Jugend auf der ganzen Welt zu erreichen", lobte er das Emblem. Der britische Premierminister Tony Blair hoffte, dass "die Menschen beim Betrachten des Logos inspiriert werden, ihr Leben positiv zu ändern". Die Firma Wolff Olins soll 600.000 Euro für das Design erhalten. Zur Kundschaft der Werbeagentur gehören British Telecom, Sky Television und die Londoner Tate-Galerie. Wolff Olins hat auch den Namen für den Getränkegiganten erfunden, der durch die Fusion von Guinness mit Grand Metropolitan entstanden ist: Diageo, ein lateinisch-griechischer Mix für den "Tag" und die "Welt".
An dem Entwurf des Olympia-Logos hat man ein Jahr gearbeitet. Die Sun schaffte das in zwei Stunden. Das kleinformatige Stammtischblatt setzte einen Affen, einen Zwölfjährigen, eine blinde Frau, einen Leser und einen hauseigenen Künstler an den Zeichentisch und befand danach, dass jedes der fünf Ergebnisse allemal besser sei als das offizielle Logo. Wally Olins, der frühere Chef der Werbeagentur Wolff Olins, sagte: "Die Kritik bezieht sich auf das statische Logo. Aber der Sinn dieses Logos ist ja, dass es sich bewegt. In der animierten Version sieht man Querschnittsgelähmte, die Bälle werfen, Leute, die von Sprungtürmen springen, und Menschen, die rennen." Er könne sich kein anderes Logo vorstellen, das als Animation einen solch starken Effekt habe. "Die Zielgruppe für das Logo sind die Acht- bis Sechzehnjährigen", sagte Olins. "In ein paar Jahren sind sie zwischen 12 und 20. Diese Kids sind ständig im Internet, und sie schauen sich Sachen an, die sich bewegen." Das sollten sie lieber vermeiden. Denn einmal in Bewegung, ist das neue Logo nicht mehr ganz ungefährlich. Als die Animation im Fernsehen ausgestrahlt wurde, löste sie bei 18 Menschen epileptische Anfälle aus. Der britische Epileptiker-Verband monierte, dass das Video gegen die Richtlinien der Aufsichtsbehörde verstoßen. 23.000 Briten, die unter photosensitiver Epilepsie leiden, seien gefährdet, sagte die Sprecherin Ingrid Burns, vor allem Jugendliche bis 19. Beanstandet wird eine kurze Sequenz in dem zweieinhalbminütigen Video, in der ein Mann in ein Schwimmbecken springt und dabei farbige, schnell wechselnde Wellen verursacht. Verantwortlich für das Filmchen ist die Werbeagentur Live, die dafür eine "bedeutende Summe" kassiert habe, sagte Coe. Er will nun eine Untersuchung einleiten, um herauszufinden, ob die Agentur ihr Werk sorgfältig genug geprüft habe. Die Internetseite mit dem Video wurde bereits gelöscht. "Wir werden den Film jetzt neu schneiden", sagte eine Sprecherin von Live.
"Wenn du jemanden beauftragst, ein Auto zu konstruieren, und es bringt dich dann um, wärst du nicht besonders glücklich", sagte Ken Livingstone. "Wenn du jemanden beauftragst, ein Logo zu entwerfen, und derjenige kontrolliert das nicht mal auf grundlegende gesundheitliche Folgen, fragst du dich doch, was er für sein Geld getan hat."
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