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Okinawa revoltiert gegen Amerika

Die Insulaner sind sich einig: Die Amis müssen verschwinden! Auf dem japanischen Eiland steht die größte US-Militärbasis der Welt, ein umstrittenes Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges  ■ Aus Tokio Georg Blume

Ganz Okinawa war am Samstag auf den Beinen. 85.000 Teilnehmer meldeten die Veranstalter, 58.000 die Polizei bei der größten anti- amerikanischen Demonstration in Japan seit Ende des Kalten Kriegs. Nie zuvor hatten sich so viele Menschen in Japans schönstem Badeparadies zum Protest versammelt, denn nie zuvor waren sich die 1,2 Millionen Einwohner Okinawas so einig, daß die 20.000 Soldaten, die die größte ausländische Militärbasis der USA bevölkern, das Inselleben 1.500 Kilometer südlich von Tokio nur stören.

„Weg mit der amerikanischen Armee“, „Wir brauchen keine US- Basis mehr“ war auf Spruchbändern zu lesen. Fast alle Städte und Dörfer, nahezu sämtliche Parteien und Vereine der Insel hatten zu der Demonstration aufgerufen, die eigentlich nur eine Antwort auf die Vergewaltigung eines Schulmädchens durch drei US-Soldaten Anfang September sein sollte. Doch der Vorfall löste eine Protestlawine aus, die inzwischen Tokio und Washington erreicht.

Tatsächlich berührt der Streit das sensibelste Grundlagenwerk der japanischen Politik: den US-japanischen Sicherheitsvertrag von 1960. Immer schwerer fällt es den Regierungen in Tokio und Washington, die Bedeutung eines Vertrages zu beteuern, dessen Wort und Geist volkommen von den Bedingungen des Kalten Krieges und dem ehemaligen Besatzungsverhältnis diktiert sind. So nahmen die Protestführer auf Okinawa daran Anstoß, daß US-Soldaten nach einem Verbrechen nicht unmittelbar an die japanischen Behörden ausgeliefert werden. Im Ergebnis konnten die drei mutmaßlichen Vergewaltiger auf ihrer Basis tagelang weiter Tennis spielen, obwohl alle Welt von ihrem Verbrechen wußte.

Den US-Amerikanern aber sind diese Vorrechte wichtig. Hartnäckig verwehren sie sich gegen eine Änderung auch nur des Stationierungsvertrages. Dieser basiert auf dem Sicherheitsvertrag. Eine unter Protesten erwirkte Änderung könnte hier schnell einen Präzedenzfall schaffen. Denn in ganz Japan werden die Bürger nicht müde, gegen das US-Militär zu protestieren, wo immer es auftaucht. Ob gegen die nach wie vor an vielen Orten stattfindenden Tiefflüge der US-Starfighter, gegen einlaufende Flugzeugträger im Militärhaften Yokohama – jedesmal ist der Widerstand populär, weil sich Zentralregierung und US-Behörden vor Ort aufs gröbste über die Bürgerrechte hinwegsetzen. Nicht umsonst mußte der Gouveneur von Okinawa, Masahide Ota, jetzt auf das Mittel des zivilen Ungehorsams zurückgreifen, um die Dinge in Bewegung zu bringen: Er verweigerte vor wenigen Tagen die Unterzeichnung einer Enteignungsbestimmung von 35 Landbesitzern auf seiner Insel, welche die Regierung laut Stationierungsvertrag für militärische Zwecke verfügen kann. Damit aber kam Tokio in Zugzwang: Denn nur die Unterschrift des Regierungschef kann heute die Enteignung rechtlich absegnen – und Tomiichi Murayama ist für so ein Unterfangen nicht der richtige Mann.

Das bekam am Freitag zunächst der Chef der Behörde für Verteidigungseinrichtungen, Noboru Hoshuyama, zu spüren. Hoshuyama wurde zum Rücktritt gezwungen, nachdem er Murayama aufgefordert hatte, die Enteignungsverfügung zu unterzeichnen. Am Sonntag, einen Tag nach der Demonstration auf Okinawa, setzte der Premierminister dann noch einmal nach: „Japan und Amerika werden sich bemühen, die Militärbasis auf Okinawa zu verkleinern“, sagte Murayama.

In Wirklichkeit ist Murayama in den letzten Tagen über die Konten gegangen: Denn die Stationierung von Zweidritteln der für Japan bestimmten US-Truppen auf Okinawa ist letztlich ein Finanzproblem der japanischen Regierung. Sie trägt inzwischen 70 Prozent der Stationierungskosten aller US-Soldaten in Japan. Die aber leben und trainieren auf Okinawa, der ärmsten Präfektur Japans, am billigsten. Greift Tokio nun tiefer in die Tasche und finanziert eine teilweise Umstationierung, dürften sich die Proteste auf Okinawa bald wieder legen. Tatsächlich verspricht die Tokioter Regierung seit 23 Jahren, die Militärbasen auf Okinawa zu verkleinern – bisher wurde ihre Fläche im Laufe von zwei Jahrzehnten um 15 Prozent abgebaut. Was dann bleibt, sind die strategischen Probleme. „Die übriggebliebenen Funktionen des Sicherheitsvertrages sind die Bewahrung der amerikanischen Interessen in Südostasien und die Vorbeugung gegen eine Aufrüstung Japans“, meint Yoshimasa Muroyama, Sicherheitsexperte an der Kyushu-Universität. Kann also sein, daß die Demonstration auf Okinawa nur ein Auftakt war.

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