: Ohrfeigen fürs Wahlverfahren
■ Prenzlauer Berg: Wahl des Bezirksamts erneut vertagt. SPD setzt sich von umstrittener Bürgermeisterwahl ab
Zur Farce geriet am Mittwoch abend die Bezirksverordnetenversammlung in Prenzlauer Berg. Einziges Ergebnis der Sitzung war deren erneute Vertagung auf den 24. Januar. SPD und CDU wollen bis dahin die Rechtmäßigkeit der Wahl Burkhardt Kleinerts (PDS) zum Bürgermeister überprüfen lassen.
Nach Angaben der Senatsinnenverwaltung darf es für den Bürgermeister nur einen Kandidaten geben. Das Vorschlagsrecht habe entweder die stärkste Fraktion oder eine stärkere Zählgemeinschaft. Trotzdem hatte sich ursprünglich eine breite Mehrheit aus PDS, SPD und Bündnis Prenzlauer Berg für die „demokratischere, weil konkurrierende“ Wahl entschlossen. Inzwischen kritisiert aber nicht mehr nur die CDU das Wahlverfahren.
Ginge es streng nach dem von der BVV selbst erarbeiteten Wahlverfahren, gäbe es in dem Ostbezirk in Zukunft gar keinen Bürgermeister. In der Beschreibung des umstrittenen Verfahrens heißt es: „Gewählt ist der Kandidat mit den meisten Ja-Stimmen, sofern er mehr Ja- als Nein-Stimmen erhält.“ Der Kandidat der rot-grünen Zählgemeinschaft, Reinhardt Kraetzer (SPD), hatte im Dezember zwar mit 22 mehr Jastimmen erhalten als sein PDS-Konkurrent Burkhardt Kleinert, für den 18 Verordnete votierten. Gleichzeitig war Kraetzer jedoch von 23 Verordneten abgelehnt worden. Kleinert, der nur 17 Gegenstimmen bekommen und somit eine relative Mehrheit erreicht hatte, war daraufhin von BVV-Vorsteher Günter Bärwolff (PDS) für gewählt erklärt worden. Auch sein SPD- Konkurrent hatte ihm zur Wahl gratuliert.
Inzwischen sieht die SPD, deren Kandidat offensichtlich am Stimmverhalten der eigenen Fraktion gescheitert war, aber Unstimmigkeiten und betrachtet Kleinert als nicht gewählt. Problematisch dabei ist jedoch, daß die Wahlordnung nur für den Fall, daß keiner der Kandidaten eine relative Mehrheit findet, einen weiteren Wahlgang vorsieht.
Bereits direkt nach der Wahl im Dezember hatte die SPD eine Vertagung um vier Wochen erbeten. Die Zeit wurde jedoch nicht zur Lösung der Probleme genutzt. So stritten die Fraktionen am Mittwoch abend zunächst im Ältestenrat, bevor BVV-Vorsteher Günter Bärwolff die Sitzung mit dreißigminütiger Verspätung eröffnete. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Lehmann beantragte als erstes eine fünfzehnminütige Auszeit, anschließend gemeinsam mit der CDU die Vertagung. Mit lautstarken Beschimpfungen kommentierte das Saalpublikum die erneute Verzögerung: „Man sollte euch die Sitzungsgelder streichen!“
SPD-Fraktionschef Lehmann begründete den Antrag mit einem erneuten Schreiben der Senatsinnenverwaltung, das von der Wahl der Stadträte abrät, solange die Rechtmäßigkeit der Bürgermeisterwahl ungeklärt sei. Die PDS warf der SPD vor, sich nicht mit ihrer Wahlniederlage abfinden zu können. Das Bündnis hielt sich bei der Debatte merklich zurück. Nach einigem Zögern äußerte sich nur der noch amtierende Baustadtrat Matthias Klipp. „Ich kann mich ohrfeigen, daß ich meine Bedenken gegen das Wahlverfahren nicht in einen Antrag eingebracht habe.“
Wie es weitergeht, bleibt unklar, denn trotz der Absetzbewegung der SPD: Bislang stellte keine der Parteien den Antrag, die Bürgermeisterwahl zu wiederholen. Gereon Asmuth
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