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Ohne funktionalen Gebrauch und offensichtliche Botschaft

■ Georg Zey, Monika Brandmeier, Thomas Emde, Anne Katrine Dolven, Simone Mangos und Gerhard Mantz in der neuen Galerie Gebauer & Günther

Georg Zey: Ohne Titel, 1990, Tischtennisbälle, Kleber 45x162x154cm

»Der Kulturschaffende ergreift Partei«, lautet ein Schlagwort in der heutigen Kunst. Dahinter steht der Wunsch, der künstlerischen Arbeit gesellschaftliche Relevanz zu verleihen. Auf diesem Weg wählen die Künstler jedoch die unterschiedlichsten Mittel. Die einen, wie der Hamburger Maler Jörg Immendorf, von dem das erwähnte Zitat stammt, verlassen sich dabei ganz auf die Macht der realistischen Darstellung. Sie wollen nicht wahrhaben, daß sich die Bilder abgenutzt haben und sich entweder in persönlichen Anekdoten verlieren oder ihre Wirksamkeit durch allzu plakative politische Gags verspielen.

Dabei ist die gesellschaftliche Relevanz keine Frage der Attitüde, sondern schiere Notwendigkeit und die Basis von Kunst. Die andere Seite — die ausdrückliche Abkehr von der traditionellen, erzählerischen Kunst — illustriert die programmatische Eröffnungsausstellung der neugegründeten Galerie Gebauer & Günther. Die hier vertretenen sechs KünstlerInnen entziehen sich zwar einem eindeutigen moralischen Anspruch, das aber ist nicht gleichbedeutend mit der Abwesenheit von Ethik. Die KünstlerInnen schaffen Gegenwelten, die sich einem festgelegten funktionalen Gebrauch und einer offensichtlichen Botschaft verweigern und dennoch auf den Alltag zurückwirken.

Die Brücke von der Kunstwelt zur Alltäglichkeit schlägt der Berliner Bildhauer Georg Zey in seinen Arbeiten. Zey benutzt Gegenstände der banalen Dingwelt als Ausgangsmaterial für seine Plastiken. Die ausgestellte Arbeit besteht aus hunderten von Tischtennisbällen, die der Künstler zu einem luftigen, amorphen Gebilde zusammengeklebt hat. Die so entstandene Plastik erinnert entfernt an die Molekülketten vergangener Chemieunterrichtsstunden, stellt aber nichts dergleichen dar. Zey's Arbeit negiert die Abbildhaftigkeit der Kunst, sie folgt eigenen Gesetzen und ist Ausdruck eines autonomen plastischen Gedankens. Der Künstler löst die Alltagsgegenstände aus ihrer Zweckgebundenheit, er funktioniert sie um zum plastischen Material und macht sie dadurch für eigenständige künstlerische Gedanken nutzbar. In ihrer neuen Existenz bezeichnen sie nur sich selbst, gleichzeitig aber ermöglicht es die erkennbare Herkunft, eine Verbindung zum Alltag und dessen latent vorhandenem Potential zu ziehen.

Die Kombination ästhetisch eigengesetztlicher Kategorien mit Fragmenten des Alltags findet sich auch in Monika Brandmeiers Methode. In ihren Objektbildern und Installationen stehen industriell gefertigte Massenware und ureigene Schöpfung gleichberechtigt nebeneinander. Als weiteres Element tauchen aus dem Sinnzusammenhang gerissene Schriftzüge und Sätze auf, die die Wahrnehmung des Betrachters zwischen inhaltlosem Sehen und identifizierendem Erkennen hin- und herspringen lassen. In der ausgestellten Arbeit werden zwei dünne Glasplättchen eines herkömmlichen Fotorahmens durch drei dünne Gummibänder auf Abstand gehalten. Daneben steht der Schriftzug und Titel des Objektes »Der Aufenthalt im Freien ist unbedenklich«. Durch die Kombination entstehen vielschichtige Verbindungsmöglichkeiten zwischen den heterogenen Einzelteilen. Die Gummiringe erscheinen plötzlich wie die Kreise eines archaischen Zeichens, das isolierte Zitat offenbart seine Absurdität, um im nächsten Augenblick erkannt und wieder in den Alltag eingeordnet zu werden.

Auch Thomas Emde versetzt seine Arbeiten in die Spannung zwischen künstlerischer Autonomie und Alltagsassoziation. Emde, als Maler ausgebildet, beschreitet einen Grenzgang von der Malerei zur Plastik. Er benutzt Versatzstücke einer omnipräsenten Ästhetik, Formen, die an Stukkaturen oder profilierte Gemälderahmen erinnern, bemalt sie pünktchenweise oder tupft einzelne Farbkörner darauf, die wie Stalagmiten einer Tropfsteinhöhle wirken. Die auf den ersten Blick dekorativ erscheinenden Stücke sind in hohem Maße konzeptionell angelegt. Durch die aufwendige Maltechnik wird die Entstehung der Malerei selbst umschrieben, Emde hinterfragt deren Mechanismen und Grenzen. Der zum Bildträger avancierte, raumgreifend aus der Fläche gebrochene Gemälderahmen schließt den Kreis zur banalen Realität mit ihren Konventionen und Möglichkeiten.

Einen ähnlich reflektierten Umgang mit ihrem Medium — der Malerei — pflegt die in Berlin ansässige Norwegerin Anne Katrine Dolven. Sie denkt bei ihren in der Form stark reduzierten Gemälden einen Großteil der europäischen Kunstgeschichte mit. Dolven kam von der Landschaftsmalerei über viel Kampf und Zweifel zu der klassischen Nichtfarbe Weiß. Weiß existiert zwar als Substanz, wird aber gleichzeitig von jeder anderen Farbe in ihrer Umgebung überlagert und reflektiert diese bis zur Selbstauflösung. Andererseits steht keine andere Farbe so nahe an der Vergöttlichung, am Sublimen. Weiß ist das Licht, sagt man und in manchen Kulturen gilt Weiß als die Farbe der Trauer. Dolven schwankt in ihren Bildern zwischen der Ausdruckskraft der Farbe und deren reiner Erscheinung, zwischen einem abstraktem Expressionismus und der Konkretion. Darüber hinaus beleuchtet sie durch ihre spezifischen Titel und Formen der Präsentation den Status der Malerei an sich.

Auch Simone Mangos macht sich für ihre Objekte und Installationen die Bandbreite der Möglichkeiten ihres Mediums umfassend zunutze. Mangos verwendet Naturmaterialien in spannungsgeladenen Kombinationen und spielt mit den physikalischen Eigenschaften dieser Stoffe, um eine natürliche prozeßhafte Veränderung beispielhaft aufzuzeigen. In Verbindung mit einer Vorliebe für gewagt labile statische Verhältnisse erhalten die einmal unaufhaltsam im Gang gesetzten natürlichen Dynamiken einen regelrecht physisch bedrohlichen Charakter.

Anders verhält es sich mit der körperlichen Präsenz, die Gerhard Mantz seinen Farb- und Formobjekten mitgibt. Mantz kommt, obwohl er dreidimensional arbeitet, von der Malerei und ist somit mit den illusionistischen Variationen, die Farbe und Form ermöglichen wohl vertraut. Über die Wirkung von Farbperspektiven lassen sich tatsächliche räumliche Verhältnisse vertuschen. Wölbungen werden flach, eigentlich Verdecktes beginnt zu leuchten. Mantz begegnet dem visuellen Sinn und den natürlichen optischen Phänomenen mit deren eigenen Waffen und stellt ihre Wirkungsweise auf den Kopf. So gilt für Mantz' Arbeit, was auf die gesamte Schau zutrifft: Geringer Aufwand und großer Effekt. Ulrich Clewing

Bis 31.10, Mi-Sa 11-19 Uhr, Pfuehlstr.5, 1-36

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