Ohne Telekoms DSL auf dem Dorf: Weiße Flecken auf dem Land
Der Kampf ums schnelle Netz auf dem Land erfordert noch immer Engagement vor Ort. In Schwaben schließen sich Gemeinden zusammen, in Niedersachsen stellen Dörfer Kabelkanäle.
BERLIN taz | In Althütte, Auenwald, Großerlach, Michelfeld und Murrhardt gibt's bald schnelles Internet. Mit bis zu 16 Megabit pro Sekunde, was Fachleute auch unter dem Begriff ADSL 2+ kennen, sollen künftig über 4000 Haushalte in Schwaben versorgt werden. Bislang surften viele Bürger im schwäbischen Wald, nicht weit von der Region Stuttgart entfernt, mit läppischen Bandbreiten, die keinerlei Netzvergnügen aufkommen ließen. Lediglich rund 30 Prozent der Bürger konnten überhaupt DSL bekommen, nun sind es auf einen Schlag gleich 98 Prozent.
Entsprechend glücklich ist auch der Murrhardter Wirtschaftsförderer Thomas Zeeb, der sich zusammen mit seinem Bürgermeister und den anderen Gemeindeführern seit Jahren um eine vernünftige Internet-Anbindung seiner Region bemüht hat. Die Bürger hätten immer wieder Druck gemacht, sagt er im Gespräch mit taz.de. Die Region hatte das Standardproblem, das viele Landkommunen kennen: Zu wenige Menschen wohnen zu weit entfernt voneinander, als dass sich Telekom und Co. erbarmen würden, entsprechende Leitungen zu legen.
Früher lag das Problem bei den Vermittlungsstellen, bei denen DSL zwar ankam, doch die Entfernung zu den einzelnen Häusern war zu groß. Heute könnten die Netzbetreiber dank Glasfaser zwar näher an die Bürger heran - mit so genannten DSLAMs, die in der Straße aufgebaut werden -, doch rechnen sich diese Investitionen auch nur dann, wenn genügend Menschen potenzielle Kunden würden.
Im schwäbischen Wald kam man deshalb auf eine alternative Lösung, die sich dank Fördermitteln des Landes und dem konzertierten Agieren von fünf Gemeinden durchsetzen ließ: Ein alter Fernmeldeturm wurde zur Richtfunkbasisstation umfunktioniert. Mit 150 Megabit pro Sekunde funkt nun der Telekommunikationsausrüster Ericsson das Internet-Signal der Telekom zu der gut gelegenen Erhebung. Von dort geht es dann über das herkömmliche Leitungsnetz weiter zu den Bürgern.
"Die bekommen gar nicht mit, dass das Richtfunk ist", sagt Zeeb, "die können ganz normales DSL bei der Telekom und Wiederverkäufern bestellen". In Murrhardt gaben sie sich in Sachen Breitbandversorgung schon früher einfallsreich: So überredete man die Telekom, ein altes Fernleitungskabel auf Glasfaser aufzurüsten und konnte so neue Gebiete anbinden. "Ohne Internet geht es heute nicht mehr, sowohl privat als auch beruflich", sagt Zeeb, dessen Mitbürger zuvor teilweise noch mit Modemgeschwindigkeit wie vor zehn Jahren surfen mussten.
Baden-Württemberg ist nicht das einzige Land, in dem man Landes- und Gemeindemittel in die Hand nimmt, um die Breitbandanbindung zu forcieren. In Bayern stehen 50 Millionen Euro bereit, in Niedersachsen bieten Kommunen Telekommunikationskonzernen bestehende Kabelkanäle an, damit ihre Investitionen etwas geringer ausfallen. "Da helfen manchmal nur innovative Lösungen", sagt Zeeb, "sonst scheitert die Erschließung immer wieder an der Wirtschaftlichkeit".
Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) macht man ebenfalls Druck. "Über 1000 Orte sind bundesweit noch nicht adäquat angebunden, das entspricht drei Millionen Haushalten mit fünf Millionen Menschen", sagt Sprecher Franz-Reinhard Habbel. Zwar begrüße man es, dass die Bundesregierung im Konjunkturpaket und jetzt im neuen Koalititonsvertrag das Thema weiße Flecken angehe. "Doch der Ausbau läuft nicht so schnell wie erhofft."
Die Bundesregierung würde ganz Deutschland gerne bis Ende 2010 mit flächendeckend einem Megabit an Bandbreite anbinden. Experten halten dies nicht mehr für zeitgemäß, sind mit ADSL 2+ doch 16 Megabit, mit dem vor allem in Ballungsräumen verfügbaren VDSL gar 50 Megabit möglich, Kabelnetzbetreiber schaffen noch mehr. DStGB-Mann Habbel versteht solche Kritik, findet aber, dass es zunächst darum gehe, überhaupt alle Menschen anzubinden. "Darüber wären wir schon froh." Das Modellprojekt im Schwäbischen findet er nachahmungswert. Es lohne sich, darüber nachzudenken, so genannte Internet-Stadtwerke zu bilden, die von mehreren Kommunen gemeinsam betrieben würden.
Eventuell kommt der ländlichen Versorgung auch die Ausnutzung der so genannten digitalen Dividende zugute. Reichweitenstarke Funkfrequenzen, die bislang für analoges Fernsehen genutzt wurden, könnten beispielsweise für schnelles UMTS-Internet verwendet werden. Hier sträuben sich indes noch andere: TV-Sender fürchten, dass die neue Technologie Störstrahlen produzieren könnte. Man kann eben nicht alles haben.
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