: Ohne Programm mit Macht an die Macht
■ Statt-Partei will in der nächsten Bürgerschaft mitregieren
Eine halbe Stunde bevor die Wahllokale schlossen stapelte Markus Wegner noch tief. Alles über drei Prozent, so verlautbarte der Frontmann der Stattpartei, wäre ein „gutes Ergebnis“. Der Einzug in die Bürgerschaft wäre nur „das Sahnehäubchen“.
30 Minuten später ist klar: Die Wählervereinigung, die nur Protest, nicht aber Programm zusammenhält, hatte abgesahnt. Mit wem er die Sahne am liebsten verspeisen will, ist für Wegner keine Frage. „Wir können uns ja mal mit Voscherau zum Frühstück treffen“, gab sich der CDU-Dissident gesprächsbereit. Eine Koalition schloß Wegner aus: „Mit uns nicht“. Doch dann sagt er wieder: „Wir sind zu allem bereit, was Hamburg hilft“.
Die Marschrichtung lautet: Tolerierung in Sachfragen. Man sei zu einer „partnerschaftlichen Zusammenarbeit“ mit der SPD bereit, betont Wegner. Henning Voscherau fing den Ball sofort auf: „Ich möchte das nicht ausschließen“.
Als Schwerpunkte seiner parlamentarischen Initiativen nannte der Spitzenkandidat der Statt-Partei die „Entflechtung der Hamburger Verwaltung.“ Mehr Bürgerbeteiligung bei allen politischen Entscheidungen lautet das Motto. Zerreißproben sindprogrammiert. Da die Statt-Partei keinen Fraktionszwang auf ihre acht Abgeordneten ausüben will, schließen auch die zukünftigen Bürgerschafts-Abgeordneten der Statt-Partei nicht aus, daß ihre programmlose Fraktion im Bürgerschaftskonzert in Zukunft mehrstimmig mitsingt.
Auf der Wahlparty der Statt-Partei feiern nur ein paar Meter vom Rathaus entfernt den ganzen Abend lang gutsituierte Yuppies in schnieken Anzügen und edlen Abendkleidchen – stellvertretend für das Wahlklientel der Statt-Partei. Während die Rechtsaußen-Parteien Reps und DVU nach ARD-Analysen in den Arbeitergebieten 12,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnten, die Reps in Wilhelmsburg gar auf 15,4 Prozent kamen, sahnte die Statt-Partei vor allem in den Nobelvierteln ab.
In den CDU-Hochburgen holte die Wegner-Partei knapp 11 Prozent. 15.000 Stimmen mußten die Christdemokraten an die Partei ihres Ex-Mitgliedes abtreten. Immerhin: Der Nobel-Protest wählte nicht rechts, und so konnten die Ausländerfeinde nur in drei Bezirken (Reps: Harburg und Mitte, DVU in Bergedorf) Parlamentssitze ergattern. Markus Wegner: „Wir haben entscheidend dazu beigetragen, wenn die Rechten draußen bleiben“. Der bislang einzige Verdienst der neuen Wählervereinigung.
Marco Carini
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