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Ohne Oratorium, mit Mozart

■ Dom-Kantor Wolfgang Helbich über die Schrecken der Rezitative / Heute im Dom: „Eine Nacht für Mozart“

taz: Weihnachten dieses Jahr ohne Oratorium, ohne Weihnachtslieder im Dom — das ist neu...

Wolfgang Helbich:(lacht) Ja! Das Oratorium habe ich schon einmal nicht gemacht; die Folge ist immer, daß der Dom nicht voll ist.

Das nehmen Sie in Kauf.

Das muß ich in Kauf nehmen. Das ist auch mal richtig, ein so schönes Stück nicht jedes Jahr zu machen, das kann man sowieso nicht ein Leben lang durchhalten! Der Ersatz — die Oper „La Clemenza di Tito“ — ist musikalisch so reizvoll, daß man das vielleicht hinterher gar nicht mal bedauert. Die Rezitative des Titus übrigens sind ja nicht von Mozart, deswegen lassen wir sie guten Gewissens weg, sie sind wahrscheinlich von Süßmayr, keine Glanzleistung. Stattdessen lassen wir die Handlung zwischendurch erzählen durch einen Sprecher, Pastor Abramzik. Das erspart, diese ewigen, ermüdenden Rezitative anzuhören, noch dazu in italienischer Sprache.

Auch Weihnachtslieder wird es 1991 im Dom nicht geben.

Aber an zwei Donnerstagen gibt es die traditionelle „Musik bei Kerzenlicht“ in der Ostkrypta: Mozart-Flötenquartette und Orgelmusiken, so daß wir den Weihnachts-Ritus durchhalten mit den Terminen, aber ohne Weihnachtslieder und Oratorium.

Die Mozart-Werke stehen unter dem Motto „Sein letztes Jahr“...

Die Stücke sind alle in seinem letzten Lebensjahr komponiert worden. Auch der Titus, mit der Zauberflöte seine letzte Oper. Das Requiem bringen wir als Fragment in der Mozart-Nacht am 5.12. Es ist sinnvoll, am Todestag da abzubrechen, wo Mozart aufgehört hat. Früher machte man ja nicht alles unbedingt fertig: die Ausfertigung der Mittelstimmen, die Instrumentierung, das machte man später, überließ es auch hie und da einem Schüler.

hierhin bitte

den Dirigenten

In der Mozart-Nacht spielen wir die Ausführung von Josef Eybler, einem Schüler von Mozart, der aber nicht alles zu Ende komponiert hat. Ab da hat Süßmayr dann weitergemacht. Eybler hat das bleiben lassen, was intelligent war von ihm, aber bis dahin hat er gute Sachen gemacht, interessante, sparsamer als Süßmayr. An Silvester spielen wir das vollständige Requiem in der Süßmayr-Fassung.

„Intelligenter“ — Sie finden es nicht glücklich, was Süßmayr zu Ende komponiert hat?

Er hat es anständig gemacht. Aber er hat es natürlich nicht ganz so kongenial machen können wie Mozart selbst, wer könnte das? Das hat wohl Eybler sehr schnell erkannt. Er ist die differenziertere Natur gewesen, das sieht man daran, wie er komponiert hat. Ich werde demnächst mal ein großes Requiem von Eybler selbst aufführen. Alles spricht dafür, daß er ein sehr zu schätzender Komponist war.

Sterbejahr, Requiem — wie paßt das mit der Weihnachtsfreude- Gemütslage zusammen?

Traditionell beginnt Weihnachten erst mit dem Heiligen Abend; vorher ist nach christlichem Gebrauch die Adventszeit eigentlich eine Fastenzeit! In diesem Fall bietet sich an Mozarts 200. Todestag an, einen der größten Komponisten zu würdigen. Die Werke sind unterschiedlich. Das

Domprediger Abramzik erspart uns im 'Titus' die langweiligen Stellen

Requiem hat traurige, aber auch sehr fröhliche, strahlende Bestandteile, z. B. das 'Sanctus benedictus'. Der Titus ist eine sehr dramatische Oper, mit strahlendem Schluß. Silvester ist keineswegs tragisch, die Kerzenmusiken auch nicht: heiterste, schönste Musiken, Mozart-Flötenquartette. Weihnachtlich werden die Leute ja sowieso von jedem Kaufhaus aus bestens bedient, das wird niemand als Mangel empfinden. Fragen: Susanne Paas

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