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Oh, du mein Tattoo!

■ Besuch in einem Tätowierstudio

Aus bisher ungeklärter Ursache ist mein Bekannter scharf auf ein Tattoo, und so machen wir uns auf in die Höhle des Löwen. Hängo, Präsident des „Verein professioneller Tätowierer Deutschlands e.V.“ und nach eigener Annoncierung Besitzer „eines der besten und bekanntesten Studios in Europa“ scheint uns der richtige Mann. Als wir sein Studio in der Mierendorffstraße betreten, ist dort grad eine Session im Gange. Mit einer in hohen Tönen summenden Maschine Marke Eigenbau ritzt Hängos Mitarbeiter Oliver einem Kunden dessen Objekt der Begierde in den Oberarm: eine Art Schmetterling in Frauengestalt. Unsere dumpfen Befürchtungen, Blut, Angstschweiß und Tränen, werden nicht bestätigt. Kein Blutstropfen ist zu sehen, das Radio dudelt munter, und die Miene des Aspiranten deutet höchstens auf eine gewisse Verspannung. „Da könnt ihr schonmal reingucken“, verweist Oliver an einen dicken Ordner, in dem zwischen Artikel aus 'Volksblatt‘ und 'Zitty‘ auch solche aus mehr oder weniger pornographischen Postillen archiviert sind. Kein Wunder: Hängo bietet auch „Intimschmuck“ und „Intimtätowierungen“, eine Spezialfertigkeit, für die auch schon einmal Kunden aus Westdeutschland angereist kommen. „Intimschmuck“ bedeutet die Applikation von Ketten, Ringen und sonstigen Metallen, „Intimtätowierung“ die Bemalung von primären und sekundären Geschlechtsteilen. Die bohrende Nachfrage, ob für derartige Malereien beim Manne der Dödel nicht dauererigiert sein müsse, verneint Hängo entschieden, über genauere Details schweigt sich der Meister aus. Als Motive begehrt sind wie eh und je Drachen, Adler, Blumen, Comicfiguren, Monster und Frauengestalten, gelegentlich wünscht auch jemand die Applikation eines Plattencover -Motivs.

Besonders floriert das Geschäft im Sommer, wenn mit Vorbildeffekt an Licht, Luft und Sonne kommt, was sonst unter der Kleiderpelle versteckt ist. „Speziell Frauen treibt's dann unter die Nadel“, sagt Oliver. Von 30 Mark aufwärts ist die lebenslängliche Verzierung zu haben, und lange dauern tut's auch nicht: anderthalb Stunden für ein faustgroßes Bild, und die Sache ist erledigt. Wer dann noch dem Trieb zum Abknibbeln des Schorfes erfolgreich widersteht, hat es geschafft: das Tattoo und Du, bis daß der Tod oder der Chirurg euch scheidet. Entfernen nämlich kann eine Tötowierung ein Tätowierer nicht, weiß Hängo zu berichten. Eine wirkliche Revision ist nur per Hauttransplantation durch einen Chirurgen möglich. Trotz solcher Tragweite der Entscheidung fürs Tattoo sind Hängo und Oliver gut beschäftigt. Fünf Tage rund um die Uhr ist der Laden voll.

Daniela Reinsch

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