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Offizielles Wahlergebnis in ÄgyptenIslamisten erzielen 70 Prozent

"Der Islam ist die Lösung" - mit diesem Slogan warb die Muslimbruderschaft in Ägypten schon unter Mubarak. Nun hat sie die ersten demokratischen Wahlen auch offiziell gewonnen.

Ägyptische Frau hinter einer Fahne. Bild: dapd

KAIRO dpa | Bei der ersten freien Parlamentswahl in Ägypten haben die Islamisten auf ganzer Linie gesiegt. Sie erhielten nach dem amtlichen Endergebnis 70,4 Prozent der 498 Mandate, wie die ägyptische Zeitung Al-Shorouk am Freitagabend auf ihrer Webseite berichtete.

Die Politik in Ägypten wird sich damit künftig noch stärker am Islam orientieren. Es wird außerdem erwartet, dass Ägypten einen härteren Kurs gegenüber Israel einschlagen wird als zu Zeiten des im Februar 2011 gestürzten Langzeitmachthabers Husni Mubarak. Die erste Parlamentssitzung ist am Montag geplant.

Großer Wahlsieger ist die Partei der Muslimbruderschaft sowie ihre Bündnispartner, die 45,7 Prozent der Stimmen erringen konnten. Diese Parteien bezeichnen sich selbst als "moderat islamisch". Allerdings wünschen sie eine noch stärkere Rolle der Religion im Staat als beispielsweise die tunesische Islamisten-Partei Ennahda.

Für die größte Überraschung sorgte die radikal-islamische Partei des Lichts ("Hizb al-Nur"). Diese landete auf dem zweiten Platz und sicherte sich gemeinsam mit anderen kleineren Parteien aus dem Lager der sogenannten Salafisten 24,6 Prozent der Sitze.

Erste Parlamentssitzung am Montag

Die traditionsreiche liberale Wafd-Partei belegt demnach mit 8,4 Prozent den dritten Platz, gefolgt von der neuen liberalen Ägyptischen Allianz mit 6,6 Prozent. Die sogenannte Revolutionsjugend, die im vergangenen Jahr mit Massenprotesten den Sturz von Präsident Husni Mubarak herbeigeführt hatte, ist in dem neuen Parlament kaum vertreten.

Bei der Wahl, die in drei Etappen stattfand und sich vom 28. November bis zum 18. Januar hinzog, waren insgesamt 498 Sitze zu vergeben. Weitere zehn Mandate darf der Oberste Militärrat verteilen, der nach dem Sturz von Mubarak die Macht übernommen hatte. Unter Mubarak waren diese Plätze traditionell an Frauen und Angehörige der christlichen Minderheit vergeben worden.

Die erste Parlamentssitzung ist für den kommenden Montag geplant. Dann steht die Wahl des Parlamentspräsidenten an. Es wird erwartet, dass der Generalsekretär der Partei der Muslimbrüder, Saad al-Katatni, gewählt wird. Seine beiden Stellvertreter werden wahrscheinlich ein Mitglied der Wafd-Partei und ein Mitglied der Partei des Lichts.

Bis zum Sommer sollen die Ägypter außerdem noch die Abgeordneten der Zweiten Kammer (Schura-Rat) wählen. Dann soll unter Mitwirkung des Parlaments eine neue Verfassung formuliert und dem Volk zum Referendum vorgelegt werden. Im Juni steht dann die Präsidentschaftswahl an.

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21 Kommentare

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  • TS
    Thomas Sch.

    21012012 Tja, es sieht ganz so aus, als ob dem arabischen Frühling unmittelbar der islamische Winter folgt. Mit allen seinen berühmten Eigenheiten, die das Leben in jenen Ländern für einige Wenige nicht mehr ganz so locker und lecker werdenlassen wird: Für Frauen, für Homosexuelle, für Christen, für Juden, für.... Der Linke, der sich bisher sehr stark für diesen Frühling interessierte, wird sich ob des muselmanischen Alltags schon mal rein medial abwenden und schauen, ob es wohl was anderes zu unterstützen gibt.

  • NM
    Nasser Mostafawi

    Warum akzeptieren wir denn nicht die Eigeninitiative und Selbstbestimmung anderer Nationen?

    Freie Parlamentwahlen in Ägypten passen anscheinend auch nicht in unseren Kragen, weil es nicht unsere Wünsche und Erwartungen erfüllt. Wir müssen doch mal als „Demokraten“ die Entscheidungen anderer Nationen akzeptieren oder zumindest tolerieren und nicht immer mit diversen Beschimpfungen torpedieren (wie „Islamisten an der Macht; Ägypten zurück in das Mittelalter“). Es ist doch logisch, dass in einer freien demokratischen Wahl die Mehrheit gewinnt und die zukünftige Politik des Landes nach ihrer Ideologie bestimmt. Jedes Land muss seine Probleme selbst lösen und seine Politik bestimmen, wie es in Europa üblich ist. Jede Einmischung von außen macht die Probleme schlimmer und trägt nichts Positives bei.

     

    Und übrigens, wenn ich das abwertende Wort Islamisten höre, fühle ich mich recht beleidigt, obwohl ich weder dem Islam noch anderen Konfessionen angehöre. Dieser scheußliche Ausdruck, geführt von Otto Schily oder Günther Beckstein, hat sich leider in deutschen Medien fast etabliert. Mein Appell an deutsche Medien und vor allem an Politiker ist, dieses abscheuliche Wort nicht mehr zu verwenden!

  • V
    vjr

    Wahlen ja, aber demokratisch? Demokratie wäre etwas anderes, nämlich das wozu sich auch Deutschland, auch wenn en bisschen zu langsam, nach und nach entwickelt – Einbezug aller in ihre gemeinsamen Dinge.

  • R
    rugero

    Der ganze Westen sieht schwarz für Ägypten. Aber nun warten wir doch erstmal ab.

     

    Das Volk hat sich entschieden für die religiös orientierten Parteien. Das muß ja nun nicht heißen, daß ab morgen Hände abgehackt werden.

     

    Alles ist besser als die bisherige Militärherrschaft. Wir sollten auch nicht ständig versuchen unser Verständnis von Gesellschaft und Demokratie der ganzen Welt überzustülpen. In anderen Kulturen kann es doch andere Wertesysteme geben.

     

    Allerdings ist Ägypten in Zukunft nicht mehr so leicht zu manipulieren wie früher und für Israel wird es auch unkomfortabler werden.

  • MA
    Moritz Arndt

    Bitte achten Sie auf ihre Wortwahl... Ich kenne Germanisten, Anglisten, Orientalisten, Skandinavisten, etc., pp.

    Alle vorhergehenden haben etwas gemeinsam. Na? Kommen Sie dahinter?

    Was, oder wer sind also bitte Islamisten? Diese Wortschöpfung ist mir so langsam zu wider und eigentlich auch unter aller ***.

     

    ...und mal abgesehen davon... wir können nicht anderen die Demokratie wünschen und uns, wenn sie denn da ist, darüber beschweren was das Volk wählt.

  • LW
    lars willen

    die rückkehr des bikini streifens in ägypten,denn oben ohne is nich mehr

  • M
    mehrdad

    tja, nun sind sie verstummt. die "experten" und "kritische israelfreunde", die von israel verlangten, sich nicht so anzustellen, als in ägypten die israelische botschaft brannte und hunderttausende mit parolen gegen JUDEN auf die strassen gingen.

     

    nun haben sich die befürchtungen der bösen bösen juden bewahrheitet.

     

    vieleicht hat ein winziges volk wie das jüdische volk, das in der menschheitsgeschichte so extrem verfolgt wurde, wie kein anderes volk, besondere sensoren, wenn es um die gefahr der totalitären ideologien geht?

  • U
    U.M.D.

    Tja, sollen sie mal sehen, wie es ist, wenn keine Touristen mehr ins Land kommen. Wahrscheinlich wird man die Pyramiden als anti-islam einreißen wollen. Problem ist immer die extrem schlechte (bis gar keine) Bildung des Großteils der Bevölkerung in solchen Ländern (rund um die Welt).

  • HK
    Harl Keinrich

    Wieso fürchten Sie das, Karl Heinrich?

  • M
    Marcel

    Tja, da müssen wir als Westeuropäer drüber stehen. Denn genau das ist Demokratie. Das ägyptische Volk entscheidet, was sie für richtig halten und nicht wir in Europa. Was nun richtig oder falsch ist liegt immer im Auge des Betrachters, aber keiner sollte sich anmaßen, seine Meinung über die der ÄgypterInnen zu stellen.

  • E
    Emre Ö

    "Ilamisten erzielen 70%" Ein Grund zum Feiern, auch für die Taz.

  • D
    Demokrateur

    Die Zahlen sprechen für sich. Was genau erwartet der Westen? Heisst Demokratie nicht, das Volk entscheiden lassen? Das hat es und trotzdem wird sich bewschert.

    Ich lebe zur Zeit in Ägypten und die Leute die ich kenne sind zufrieden mit dem Ergebnis. Und die Wahlbeteiligung war sehr hoch.

    Also bitte sparen sie sich die Kommentare in denen sie meinen zu wissen was besser für das Ägyptische Volk ist.

  • M
    Mirko

    Frei nach Marx: Der Islam kommt!

     

    Das Ergebnis war ja auch abzusehen, da die Land(?)bevölkerung ein anderes Bildungsniveau als die Städtische Protestbewegung hat. Bauern wählen immer ihre Religion, das war schon immer so. Das wußte auch Lenin, als er den Kommunismus als vernünftigen Ersatz erschaffen hat.

     

    Seis drum. Wollen wir nur das Beste für Ägypten und den Nahen Osten insgesamt hoffen.

  • D
    Dirk

    Meine letzten Illusionen vom letzten Frühjahr sind nun endgültig verflogen. Die traurige, aber wohl zwingend notwendige Konsequenz müsste sein: Schotten ganz dicht machten - Ausnahme diejenigen, die in Zukunft vor einem von der Mehrheit gewollten islamistischen Regime werden fließen müssen (Liberale, säkulare Linke, Atheisten, Christen usw.).

  • D
    diagoge

    Das offi­zi­elle Wahl­er­geb­nis der Par­la­ments­wah­len in Ägypten liegt vor. Die Isla­mis­ten haben haus­hoch gewon­nen. Sind sie fähig, die gegen­wär­tige poli­ti­sche Situa­tion rea­lis­tisch ein­zu­schät­zen und ver­ant­wor­tungs­be­wusst eine posi­tive Ent­wick­lung für das ganze Land voranzubringen?

    ich darf dazu auf meinen Artikel hinweisen: http://www.diagoge.com/politik/parlamentswahlen-in-aegypten-historische-chance-der-muslimbruderschaft/

  • KH
    Karl Heinrich

    Damit war doch zu rechnen. Nach einem kurzen arabischen Frühling wird wohl - so fürchte ich - ein langer und kalter islamistischer Winter folgen. Bedenklich finde ich, dass von journalistischer Seite dieses Thema nicht wirklich problematisiert wird. Da hat man wohl einfach nur Angst oder ist politisch überkorrekt.

    Ich werde jedenfalls schon mal verstärkt meine christlichen koptischen Schwestern und Brüder in mein Nachtgebet mit einschließen.

  • JJ
    Jörg Jacobi

    Das sind leider schlechte Nachrichten. Ich habe lange in Ägypten gelebt und als Lehrer Ägypter unterrichtet. Selbst unter Mubarak hat der Islam moderne Lebensweisen und Meinungsfreiheit schon stark blockiert. Das neue Parlament wird das Land nicht voranbringen. Religion kann man nicht essen und ob ein Allah hilft ist fraglich. Ich hab oft erlebt, das jedes Hinterfragen oder jeglicher Individualismus von der Religion verdammt wurde. Schade um dieses Land!

  • WS
    Was solls

    Naja, mag uns nicht gefallen, aber sie wollten es selbst so.

     

    Wir können dann auch mit dem Mitleid aufhören.

     

    Was ab jetzt passiert hat mit dem bösen Westen nichts mehr zu tun.

     

    Wie war der Slogan? Der Islam ist die Lösung.

     

    Ab jetzt gilt: Der Islam ist schuld.

  • P
    Piet

    Say hello to Islamische Republik Ägypten!

    Der Iran lässt auch schön grüßen!

     

    Der Westen wird sich Mubarak noch zurück wünschen...

  • V
    vic

    Ein deutliches Wahlergebnis, das uns auch wieder nicht passt. Stimmt`s?

  • S
    Stefan

    ... ein frostiger Frühling. Mal sehen, wer die Radikalen daran erinnert, dass auch sie den Friedensvertrag mit Israel einzuhalten haben.