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Offener Machtkampf in Manila

■ Verteidigungsminister Enrile entlassen / Putschversuch wurde angeblich vereitelt / Auf Verlangen Aquinos trat das gesamte Kabinett zurück / Militär in Alarmbereitschaft / Ramos auf der Seite von Präsidentin Aquino

Manila (ap/dpa/afp) - „Heute morgen habe ich das Kabinett zu einer Sondersitzung einberufen. Ich habe alle Kabinettsmitglieder aufgefordert, mir ihren Rücktritt einzureichen. Jene, die das nicht tun, werde ich trotzdem als zurückgetreten betrachten. Das wird der Regierung die Chance geben, wieder ganz von vorn anzufan gen.“ Später bestätigte Frau Aquino, daß das gesamte Kabinett zurückgetreten sei. Diese Erklärung von Präsidentin Corazan Aquino wurde am Sonntag im philippinischen Fernsehe ausgestrahlt. Damit scheint ein mißlungener Putschversuch gegen die erst seit vergangenem Februar amtierende Frau Aquino beendet. Als Hauptverantwortlicher gilt Verteidigungsminister Juan Ponce Enrile gemacht, der am Sonntag entlassen wurde. „Stabschef General Ramos hat Vorkehrungen gegen die Unbesonnenheit einiger Kräfte im Militär getroffen. Allen jenen, die versucht sein könnten, die gegenwärtige Situation auszunutzen, tue ich hiermit kund, daß gegen sie die härtesten Maßnahmen ergriffen werden“, erklärte Aquino. Kurz vor der Ansprache der Präsidentin hatte Ramos die Truppen aufgefordert, nur von ihm und seinen Stellvertretern Befehle anzunehmen und die Regierung gegen Umsturzpläne zu verteidigen. Stunden zuvor waren Teile des Militärs an strategisch wichtigen Orten wie Radio– und Fernsehstation aufgezogen. Die gesamten Streitkräfte wurden in Kampfbereitschaft versetzt. Gerüchte über einen laufenden oder bevorstehenden Putsch von seiten des mächtigsten Widersachers der Präsidentin innerhalb der Regierung mit Hilfe eines Teils des Militärs hatten sich seit Samstag in Manila gehalten. Angeblich soll es Enriles Plan gewesen sein, amtierender Präsident zu werden, die von Frau Aquino aufgelöste Nationalversammlung wiederherzustellen, die bei den offensichtlich manipulierten Wahlen im vergangenen Februar den Ex–Dikatator Marcos als rechtmäßigen Präsidenten anerkannt hatte. Fortsetzung auf Seite 6 Kommentar auf Seite 4 Falls diese Version zutreffend sein sollte, wurde der Plan von Generalstabschef Fidel Ramos durchkreuzt, auf dessen vollen Beistand sich die Präsidentin während der dramatischen nächtlichen Ereignisse voll hatte verlassen können. Ihr Sprecher Teodoro Benigno sagte später, dieser Beschluß sei gefaßt worden, nachdem die Präsidentin einen Bericht über ungewöhnliche Truppenbewegungen gehört habe. Er konnte aber nicht bestätigen, daß es sie tatsächlich gegeben hat. Ramos hat jetzt klar mit seinem früheren Verbündeten Enrile gebrochen, obwohl er einen Teil von dessen an Frau Aquino gerichteten Forderungen unterstützt. Dazu gehört das Drängen nach einem harten Kurs gegenüber der kommunistischen Guerilla, New Peoples Armee, und die Entlassung von Ministern und anderen hohen Regierungsbeamten, die entweder unfähig oder zu linksgerichtet seien. Zwischen Enrile und der Präsidentin war es in diesen Fragen nicht nur zu einer offenen Konfrontation, sondern auch zu einer Machtprobe gekommen, in der Enrile jetzt politisch unterlegen ist. Nach der für sie glimpflich verlaufenen Krisennacht machte Frau Aquino aber am Sonntag Zugeständnisse: Sie stellte der Guerilla ein Ultimatum in den bisher ergebnislos verlaufenen Verhandlungen. Enriles Entlassung wurde von der kommunistischen National Democratic Front (NDF) begrüßt, sie bezeichneten jedoch zugleich die von Frau Aquino genannte Frist bis zum Monatsende für einen Waffenstillstand als schlecht gewählt und machten die Regierung für Verzögerungen bei den Friedensgesprächen verantwortlich. Als Nachfolger Enriles wurde bereits der als Aquino–treu geltende General Rafaelo Ileto vereidigt.

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