■ Offener Brief: Weser Kurier fälschte Foto
Liebe KollegInnen vom Weser Kurier! Ihr kennt das: „Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten in Wort und Bild sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung ... weder entstellt noch verfälscht werden ...“ heißt es im Pressekodex des deutschen Presserates in Ziffer II. „und Bild“ steht da.
Am vergangenen Sonntag hat der Kurier am Sonntag eine Pendler-Reportage veröffentlich; die Redakteurin hatte zwei Männer im Zug begleitet, die täglich zur Arbeit nach Osnabrück beziehungsweise Dortmund fahren. Im Zug liest man Zeitung, die beiden – Gebhard Vey und Michael Cochu – hatten die FAZ dabei, die Financial Times und beide jeweils eine taz. Den Weser Kurier lesen beide nicht, sowas soll vorkommen.
Eher amusiert haben sie das der Journalistin mitgeteilt und ihre taz auf den Tisch neben die Thermoskanne gelegt. Und dann haben sie erzählt, was sie jeden Tag auf der langen Zugfahrt machen – dösen, lesen, sinnieren – und wie das Privatleben unter dem langen Arbeits-Tag leidet und so weiter.
Das alles kann man im Kurier am Sonntag in einem endlosen Text nachlesen. Über die Frage, welche Zeitungen die beiden Pendler lesen, schweigt sich der Text aus. Die Journalistin habe ihnen das schon gesagt, erklärte Gebhard Vey gegenüber der taz, dass sie nicht erwähnen könne, dass es sich da um überzeugte taz-Leser handelt. Aber auf dem Foto, da sei es ja drauf ...
Auf dem fast über die ganze Breite gezogenen Foto sieht man die beiden Pendler, die Thermoskanne, zwei Zeitungen. Wer die taz kennt, kann das rote „taz muss sein“ wiederkennen, die Geschichte liegt einige Wochen schon im Stehsatz, aber den roten Schritzug die tageszeitung sieht man nicht. Weiß ist die Stelle, an der bei Zeitungen der große farbige Kopf ist. Und das bei beiden Ausgaben der taz, die sichtbar auf dem Tisch im Zug liegen. Offensichtlich eine bewusste Fälschung des Fotos und das gegen den ausdrücklichen Willen der beiden Personen, um die es bei dem Bericht geht.
Bis heute ist den Lesern des Weser Kurier nicht erläutert worden, ob es sich dabei um ein Versehen handelt – oder ob das System hat. Liebe KollegInnen vom Weser Kurier, gibt es eigentlich Grundsätze, nach denen Fotos grob sinnentstellend retuschiert werden dürfen in Eurem Verlag? Passiert das öfter oder war der vorliegende Fall eines Fotos, das unliebsame Realität abbildet, die mit Abstand größte Herausforderung an die Wahrheitsliebe des Weser Kurier? Hat der Weser Kurier es nötig, gegenüber seinen Lesern die Tatsache wegzuretuschieren, dass es in Bremen Leute gibt, die keine Weser Kurier-Leser sind, sondern die die andere lokale Tageszeitung bevorzugen? Hört die innere Pressefreiheit da auf, wo die ökonomischen Interessen den Verlages beginnen? Wie groß muss das Monopol des Weser Kurier werden, damit er ein Mindestmaß von Souveränität gegenüber der kleinen taz gewinnt?
Das Wegretuschieren eines Kopfes hat symbolische Bedeutung – wer auch immer den Zeitungskopf auf dem Foto ausgelöscht hat, wollte damit in einer symbolischen Handlung die taz auslöschen. Der Schweizer Presserat hat einmal formuliert: „Bildmanipulationen, die ... den Betrachter irreführen, weil dieser eine Abbildung der Wirklichkeit vor sich zu haben glaubt, stellen grundsätzlich eine Verletzung der Erklärung der Pflichten und Rechte des Journalisten dar.“
Wir würden uns freuen, wenn eine kritische Nachberatung dieses peinlichen Vorfalls zu einer Anerkennung der realen Existenz der taz führen würde. Weser Kurier-Leser hätten zudem eine Erklärung darüber verdient, wie der Weser Kurier zu Foto-Manipulationen steht.
Mit freundlichen Grüßen
für die MitarbeiterInnen der taz – Klaus Wolschner
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