press-schlag: Offener Brief an den ehemaligen Goldringer Alexander Leipold
Wie geht das eigentlich: Medaille zurückgeben?
Sehr geehrter Herr Leipold,
zufällig war Ihr Halbfinal- und Finalkampf im Ringen so ziemlich das einzige, was ich von den Olympischen Spielen in Sydney mitbekam. Umso mehr war ich betroffen, als ich von Ihrer positiven Dopingprobe hörte und erfuhr, dass Sie Ihre Goldmedaille zurückgeben müssen. Ich bin erschüttert!
Auf Ihrer Homepage im Internet versichern Sie, nicht zu wissen, wie diese fremden Stoffe in Ihren Körper gelangen konnten. Nun, ich verstehe nicht viel von so fremden Stoffen, hätte da aber vielleicht einen Tipp. Ich meine mich nämlich an ein Foto erinnern zu können, auf dem zu sehen ist, wie Sie nach Ihrem Sieg in Ihre Goldmedaille beißen. Könnte es nicht sein, dass sich dabei etwas gelöst und in Ihren Körper gelangt ist, was da nichts zu suchen hat? Und schauen Sie sich Ihre Goldmedaille noch mal genau an, bevor Sie sie weggeben. Womöglich kann man sie irgendwo aufschrauben, und am Ende ist Zahnpasta drin.
Und noch was, Herr Leipold. Seit ich weiß, dass Sie Ihre Goldmedaille zurückgeben müssen, treibt mich die Frage um, wie das eigentlich ganz praktisch geht: eine Goldmedaille zurückgeben. Ich meine, so häufig kam das bislang ja bei uns nicht vor. Okay, in so traditionellen Doping-Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Ostdeutschland weiß vermutlich jedes Kind, wie das geht. Von China ganz zu schweigen. Da gehört Medaille zurückgeben wahrscheinlich mit zum Trainingsprogramm eines jeden Sportlers. Aber hier bei uns hatten wir das bislang nicht so oft. Vielleicht können Sie mir das ja gelegentlich mal berichten. Kommt da extra einer vom IOC oder eigens einer aus Sydney, um die Medaille bei Ihnen abzuholen? Oder müssen Sie sie selbst zurückbringen? Können Sie das nicht auch mit der Post erledigen, und wenn ja, wer zahlt das Porto? Und wie verschickt man eigentlich eine Goldmedaille? Gibt’s da genormte Kuverts oder stecken Sie Ihre einfach so in einen wattierten Umschlag und dann ab die Post, wie jede x-beliebige Nachnahme?
Eine andere, und, ich muss sagen, für meinen Geschmack weitaus sympathischere Möglichkeit wäre da doch wohl, Ihr amerikanischer Finalgegner käme zu Ihnen nach Hause, um sich die ihm nun zuerkannte Goldmedaille persönlich bei Ihnen abzuholen. Wie fänden Sie das? Hätten Sie die Größe, ihn reinzubitten, oder würden Sie ihn eher an der Haustür abfertigen? In jedem Fall sollten Sie nach der Medaillenübergabe an Ihren Gegner noch mal dem seine Nationalhymne abspielen. Das fände ich persönlich eine sehr feine Geste. So viel Sportsgeist sollten Sie trotz allem Unglück, das Ihnen widerfahren ist, aufbringen. Auch ein Siegerpodest lässt sich sicher schnell improvisieren, etwa aus zwei Küchenstühlen und dem Küchentisch. Und eine US-Fahne oder so was Ähnliches sollte sich auch auftreiben lassen. Schauen Sie mal in das Fach mit den Geschirrtüchern.
Herzliche Grüße und – Kopf hoch! Ihr Fritz Tietz
P.S. Was mir gerade siedend heiß einfällt: Was wäre eigentlich, wenn Sie jetzt Ihre Goldmedaille bereits versetzt hätten? Der Berichterstattung rund um Ihren Ringkampf in Sydney damals war schließlich zu entnehmen, dass Sie relativ frisch vermählt und gerade am Bauen sind. So gesehen wäre es, zumindest in meinen Augen, nur zu verständlich, wenn Sie Ihr Gold bereits versilbert hätten, wie man so sagt. Glauben Sie mir, ich weiß, was eine ordentliche Dunstabzugshaube kostet oder eine Duschkabine. Wie bitte? Sie haben? Tatsächlich? Verkauft? In echt? – Sagen Sie mal: Was bringt denn eigentlich so ’ne Medaille?
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