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Österreichs StudentenaufstandWiener Unis brennen weiter

Bei einem Sternmarsch durch Wien protestieren 20.000 Menschen gegen die Bildungspolitik. Die Besetzungen der Universitäten dauern an, die Politik reagiert hilflos.

Besetzter Hörsaal an der Universität in Wien. Bild: ap

WIEN taz | "Die Uni brennt!" Fast zu groß wirkte dieser Slogan, als am 22. Oktober Studierende in Wien das Audimax besetzten, um gegen die schlechten Studienbedingungen, fehlende Mitbestimmung und zunehmende Ökonomisierung der Bildung zu protestieren. Doch der Slogan erwies sich als passend: Wie ein Flächenbrand weiteten sich die Proteste auf ganz Österreich aus, aber über den Kreis der Studierenden hinaus.

Mehrere zehntausend Menschen nahmen am zweiten großen Aktionstag am Donnerstag teil. Höhepunkt war ein Sternmarsch durch Wien, die Veranstalter sprachen von 20.000 Teilnehmern. Nicht nur Studierende - auch Erzieherinnen von Kindergärten, Lehrer und Gewerkschafter schlossen sich an. "Ich unterstütze nicht nur die Proteste der Studenten, sondern fordere auch eine einheitliche Ausbildung für alle Lehrer", so Reinhart Sellner, ein unabhängiger Lehrergewerkschafter. Auch Kinder waren auf der Demo zu sehen, manche trugen "Für meine Bildung"-Transparente.

Auch in Linz, Salzburg, Innsbruck und Graz wurde protestiert. Die protestierenden Studenten denken allerdings längst über Österreich hinaus: "Damit die Sache international Wellen schlägt, müssen die Proteste weitergehen", sagte eine Studentin während der Demonstration am Donnerstag. "Man sieht ja, dass sich auch in Deutschland was tut."

Proteste an deutschen Unis

Studierende protestieren jetzt auch wieder in Deutschland: Am Freitag besetzten rund 300 Studierende die Akademie der bildenden Künste in München. In Heidelberg wurde am Dienstag ein Hörsaal in der Altstadt besetzt, seit Mittwoch halten Studierende in Potsdam das Audimax besetzt. Besetzungen gab es auch in Tübingen und Darmstadt. In Münster wurde am Mittwoch das Audimax besetzt, am Freitagmorgen räumte es die Polizei. Münsteraner Studierende rufen für Montag zu einer erneuten Besetzung auf. Die Studierenden in Deutschland solidarisieren sich mit der Bewegung in Österreich, sehen ihre Aktionen aber vor allem als Fortsetzung des bundesweiten Bildungsstreiks vom Sommer. Sie fordern weiterhin die soziale Öffnung der Hochschulen, die Abschaffung des Bachelor/Master-Systems, eine demokratischere Gestaltung der Hochschulen und bessere Studienbedingungen. Das Bündnis Bildungsstreik 2009 kündigt einen "heißen Herbst" an. Vom 9. bis 20. November sollen in der "Global Week of Action - Education is not for Sale" weitere Aktionen folgen. (JS)

Tatsächlich üben deutsche und österreichische Studierende den Schulterschluss (siehe Kasten) - ganz im Gegensatz zu den Berichterstattern der konservativen Medien, die in den Streiks zunächst Proteste gegen die große Anzahl deutscher Studierender an österreichischen Universitäten sehen wollten. Bei der Kundgebung am Donnerstag sprach so auch Ben Stolz, der als Vertreter des deutschen Bildungsstreiks nach Wien gereist war. "In Österreich brennen die Unis, und in Deutschland brennen sie mit", schrie Stolz in die protestierende Menge. Solidaritätsmeldungen kamen auch aus Budapest, Istanbul und Mexiko.

In der österreichischen Politik herrscht derweil Unklarheit, wie mit der Situation umzugehen sei. Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) wurde mit seinem ungeschickten Agieren zum unfreiwilligen Unterstützer der protestierenden Studenten. Als Kandidat für einen EU-Kommissions-Posten bestimmt, versuchte er zunächst, die Proteste auszusitzen. Als der Druck zu groß wurde, sagte er kurzfristig 34 Millionen Euro Soforthilfe zu. Von den Protestierenden wurde dies nicht nur als nicht ausreichend zurückgewiesen, sie bekräftigen auch, es gehe ihnen um eine grundsätzliche Reform des Bildungssystems. Insbesondere die Bologna-Reform, mit der die Studiengänge Bachelor und Master eingeführt wurden, sowie die Verschulung des Studiums müssten grundsätzlich hinterfragt werden.

Auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) gerät durch die Proteste zunehmend in die Kritik. Er hatte sich zunächst mit den Studierenden solidarisiert, dann jedoch davon gesprochen, die Situation durch verschärfte Zugangsbeschränkungen zu lösen. Nach wütenden Protesten der Studierenden ruderte er zurück. Die bestehenden Zugangsregelungen seien ausreichend.

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4 Kommentare

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  • HW
    Hans Werner

    Die Medienberichterstattung in deutschen Zeitungen ist mangelhaft. Vor 1 1/2 Wochen war in der Süddeutschen das Thema auf Seite eins. In meiner näheren Umgebung herrscht komplette Ahnungslosigkeit über die Studentenproteste in Österreich.

    Aber wundern tuts mich nicht. Ich habe heute mal die österreichische Presselandschaft via Internet durchkämmt, Fazit: Kein Wort über die Protestler. Weder die Kleine Zeitung, noch die Salzburger Nachrichten.

     

    Und ja, irgendwie haben die Bilder und Berichte aus Österreich einen revolutionären Charakter, der an eine gewisse Bewegung in Deutschland erinnert. Aber was wäre diese Bewegung damals schon gewesen, hätten die Medien nicht berichtet.

     

    Was in unserem Nachbarland passiert hat Potential, aber: Stell dir vor es ist Revolution und keiner berichtet davon.

  • AS
    Aka Streik

    Stand: Nacht vom 6. auf 7. November

    Am 5. November gegen 14:00 haben sich geschätzte 150 Studenten verschiedener Münchener Hochschulen vor der Akademie der Bildenden Künste in München zu einer Kundgebung versammelt, die sich unter anderem solidarisch mit den Hochschulbesetzungen in Wien, gegen die Ökonomisierung des Studiums und für freie Bildung artikuliert hat. Anschließend folgten die Versammelten spontan einem Aufruf und drangen in einen Saal des Altbaus der Akademie ein. Und haben die Akademie für "besetzt" erklärt.

    Die Leitung, Professorenschaft, Verwaltung und Mittelbau der Akademie wehren sich in Verhandlungen mit dem Kultusministerium seit Jahren gegen die verordneten Reformen im Rahmen des Bologna-Prozesses. Die Studiengebühren konnten nicht abgewendet werden, bei der Modularisierung ist eine Hinauszögerung der Einführung von Bachelor und Master bis 2014 erzielt worden. Die Studenten der Akademie sind aber erstaunlich wenig aktiv in Erscheinung getreten. Bis jetzt.

    Der Funke, der sich an der Akademie der bildenden Künste in Wien (http://www.malen-nach-zahlen.at) entzündet hat ist auf mehrere österreichische, deutsche, italienische und, nach dem was ich gehört habe, auch auf andere europäische Hochschulen übergesprungen. Seit dem arbeiten, protestieren und nächtigen die Teilnehmer der Aktion im alten Sitzungssaal und weiteren Räumen der Münchener Akademie mit wechselnder Besetzung. Die Verwaltung "toleriert" den Protest im Haus. Manche Professoren haben sich offen solidarisch erklärt und einige Werkstattleiter ihre Unterstützung zugesichert. Viele auswärtige Gruppen und Privatpersonen haben ebenfalls ihre Solidarität bekundet.

    Unter den (nicht ausschließlich) Studierenden haben sich Arbeitsgruppen zu Inhalten und Organisation, Einzelinitiativen sowie eine über alle Erwartungen hinaus leckere Volxküche gebildet: "ohne mapf - kein kampf". Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen wenigen Dutzend, die rund um die Uhr die Stellung halten und geschätzten 300 im allabendlichen Plenum.

    Weitere Unterstützung ist willkommen/gefragt/notwendig. Die Frage lautet: Wo stehst du?

    Mancheiner denkt: "Mqn kann eh nix tun" - die Aktion zeigt - es geht. Einen Flyer mitnehmen und irgendwo anders aufhängen ist schon cool.

    Mancheiner fühlt sich nicht genügend informiert um sich öffentlich gegen z.B. den Bologna-Prozess usw. auszusprechen - ein diffuses Unbehagen, dass etwas schief läuft, qualifiziert ausreichend. Die Inhalte werden bis in die Punkte und Unterpunkte ausformuliert und vorgestellt.

    Mancheinem sind die Art von Aktionen zu radikal, zu wirr, zu wenig radikal, zu strukturiert... - jeden Tag finden ein bis zwei Plenen statt. In diesen werden alle Themen absolut basisdemokratisch ausdiskutiert- jeder kann sich äußern, auch wenn es manchmal etwas dauert bis man dran ist. Oder spontan eine Aktion überlegen.

    Vom Plenum Beschlossenes, z.B. Programm für den Tag unter http://www.bildungsstreik-muenchen.de/category/besetzung-aktion/

    Ganz einfach: Macht die Akademie, wie sie euch gefällt.

  • FL
    Frau Luhmann

    ich weiß, dass es - allen voran - von frau schavan und auch den medien gerne mal falsch verstanden wird, aber es geht den studierenden nicht um die abschaffung des bachelor-master-systems!!!! es geht um deren bearbeitung und umsetzung! daran richtet sich die kritik!! niemand will diese studiengänge wieder abschaffen, wir wollen es doch niemandem zu leicht machen, unsere vorstellungen utopisch zu nennen... ;o) nebenbei darf man nicht vergessen, dass verschulung und verkürzung der studienzeit zur chancengleichheit beitragen können! nur schade, dass dieser vorteil mit einführung der studiengebühren wieder verspielt wurde...

  • PS
    Philipp Sattler

    Es ist sehr traurig, dass in keiner großen Tageszeitung Deutschlands eine Meldung über die etlichen deutschen Unis steht. Seit Tagen werden Hörsäle in Heidelberg, Marburg, Münster, Potsdam und Tübingen besetzt. Und sogar wieder geräumt. TÜBINGEN BLEIBT!