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ÖsterreichKoalitionskrach um Asylzentrum

Das Innenministerin plant den Bau eines Erstaufnahmelagers für Flüchtlinge im Burgenland. Doch Landeshauptmann Hans Niessl, SPÖ, legt sich quer.

Hans Niessl, SPÖ. Bild: Johannes Zinner via Flickr – Lizenz: CC-BY-ND

WIEN taz | Ein Erstaufnahmelager für Asylsuchende stört den Frieden in Österreich. Die Einrichtung soll nach dem Willen von Innenministerin Maria Fekter, ÖVP, in der südburgenländischen Gemeinde Eberau gebaut werden. Darüber hat sich die Ministerin mit dem lokalen Bürgermeister, ebenfalls ÖVP, geeinigt. Gemeinderat und Bevölkerung wurden letzten Samstag von dieser Nachricht überrascht. Auch eine Baubewilligung wurde erteilt. Die wurde jedoch per Erlass zurückgezogen. Denn Landeshauptmann Hans Niessl, SPÖ, schaltete sich ein.

Niessl möchte bei den Landtagswahlen im Frühjahr in seinem Amt bestätigt werden. Wenn er sich ein unpopuläres Projekt aufdrücken lässt, hat er schlechte Karten. Unpopulär ist das Vorhaben nicht nur, weil über den Kopf der Gemeinde hinweg entschieden wurde, sondern auch weil in den letzten Jahren von der Politik Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht wurde.

Fekter denkt sich jedes Jahr neue Schikanen aus, um Asylsuchenden das Leben schwer zu machen und die, die kommen wollen, abzuschrecken. 300 Ausländer, die nichts zu tun haben, weil sie nicht arbeiten dürfen, können eine 1.000-Seelen-Gemeinde schon beunruhigen.

Deswegen machen die Burgenländer parteiübergreifend Front gegen Fekter. "Ihr Fehltritt mit diesem Alleingang zeigt, dass sie keine Ahnung vom Burgenland hat", rügt Franz Steindl, ÖVP-Landeshauptmannstellvertreter, seine Parteifreundin. Das Argument, 150 Arbeitsplätze seien für die strukturschwache Region ein Segen, zieht wenig. Auch die versprochene Einrichtung eines Polizeipostens mit 30 Sicherheitsbeamten ist nicht geeignet, die Landespolitiker umzustimmen. "Das Innenministerium hat uns 270 Polizisten weggenommen", klagt Niessl.

Kritisiert wird das Vorhaben auch von anderer Seite. Michael Chalupka, Direktor der in der Flüchtlingshilfe stark engagierten Diakonie, hält die entlegene Region für völlig ungeeignet. Flüchtlinge bedürften der juristischen und psychosozialen Betreuung. Die sei im Burgenland nicht gewährleistet. Im Januar tritt zudem die jüngste Novelle zum Asylgesetz in Kraft, die es Asylsuchenden verbietet, den Bezirk zu verlassen. Wer etwa einen Anwalt in Graz aufsuchen will, kann sofort in Abschiebehaft genommen werden.

Landeshauptmann Niessl will die Bevölkerung in einer bindenden Volksbefragung zur Urne bitten - in allen drei Bezirken des Südburgenlandes. Das Koalitionsabkommen sieht vor, dass im Süden Österreichs ein Erstaufnahmezentrum eingerichtet wird. Ministerin Fekter gibt sich kampfeswillig. Sie will ihr Projekt bis zu den Höchstgerichten durchfechten.

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