: Ölpresse der Amis in Brüssel
EU läßt genmanipulierte Sojabohnen zur Vermarktung zu – ohne Kennzeichnung. In den USA hat die Aussaat schon begonnen ■ Aus Brüssel Christian Rath
Gentechnisch veränderte Soja wird bald als Speiseöl und Margarine in vielen Lebensmitteln enthalten sein. Auch als Tierfutter wird sie in die Nahrungskette Eingang finden. Nach langen internen Auseinandersetzungen hat die EU-Kommission jetzt die Vermarktung modifizierter US-Soja in Europa zugelassen – wieder einmal ohne Kennzeichnung.
Die neue Sojapflanze ist dank gentechnischer Manipulation herbizidresistent. Das heißt: Sie kann mit dem Pflanzenschutzmittel „Round Up“ des US-Multis Monsanto besprüht werden, ohne Schaden zu leiden. Nachdem die Mitgliedsstaaten im EU-Freisetzungsausschuß schon vor Wochen mehrheitlich für die ungekennzeichnete Zulassung stimmten, übernahm am Mittwoch die EU-Kommission diesen Beschluß. Auch der bundesdeutsche Vertreter im Ausschuß hatte gegen die Kennzeichnung gestimmt.
Hintergrund der ungekennzeichneten Soja-Zulassung sind jedoch massive wirtschaftliche Interessen der USA und der europäischen Ölmühlenindustrie. Soja kann nämlich im kalten Europa nicht zu konkurrenzfähigen Preisen angebaut werden. Und die Gewährung finanzieller Anreize durch die EU wurde aufgrund des Blairhouse-Abkommens mit den USA weitgehend eingestellt. Zwar konnte so ein Handelskrieg vermieden werden, jedoch muß heute fast der gesamte Sojabedarf Europas eingeführt werden, über die Hälfte davon kommt aus amerikanischen Farmen.
In den USA aber wurde bereits mit der Aussaat der gentechnisch veränderten Soja-Sorten begonnen. Die US-Botschaft bei der Europäischen Union spricht von zehn Prozent der Anbaufläche – eine Größenordnung, die man jedoch selbst bei der EU-Kommission nicht so ganz glauben will. „Das sind doch politische Zahlen, die niemand überprüfen kann“, heißt es dazu in Kommissionskreisen.
Doch mit dieser Politik vollendeter Tatsachen haben die US- amerikanischen Farmer den europäischen Ölmühlen die Pistole auf die Brust gesetzt. Eine getrennte Verarbeitung von herkömmlichen und modifizierten Sojabohnen sei nämlich mit vernünftigem Aufwand nicht zu machen. Die Kennzeichnung als „gentechnisch verändert“ hätte damit die gesamte US-Ernte getroffen – eine „Stigmatisierung“, die die USA nicht hinnehmen wollte und mit einer Klage bei der WTO beantwortet hätte.
Noch größer allerdings war die Angst der Ölhersteller, daß die US-Farmer gleich ganz auf den Export nach Europa verzichten und die US-Ölmühlen ihre Kapazität entsprechend vergrößern. „Dann würde nur noch das Öl nach Europa exportiert und unsere Mühlen könnten dichtmachen“, warnte Robby Schneider vom europäischen Ölmühlenverband Fediol – einer Branche mit immerhin rund zwanzig Milliarden Mark Jahresumsatz.
Andere Lieferländer wie Brasilien und Argentinien könnten nur für eine kurze Frist die Lücke überbrücken, da dort wohl auch bald die Monsanto-Bohne zum Einsatz kommen dürfte. Sollte die herbizidresistente Soja für die Farmer unter dem Strich tatsächlich billiger kommen, würden auch die Hersteller von Rapsöl bald auf herbizidresistente Sorten umsteigen, erwartet man bei Fediol. Zu Züchtungszwecken erhielt erst vor wenigen Wochen die belgische Firma Plant Genetic Systems eine entsprechende Zulassung der Kommission. Derzeit noch teilen sich Soja, Raps und Sonnenblumen den Ölmarkt zu je rund einem Drittel.
Das aus den veränderten Sojabohnen gepreßte Öl muß auch nach der geplanten Novel-food- Richtlinie nicht als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden, weil im Öl die veränderte Erbinformation der Bohnen nicht mehr nachweisbar ist. Für die Sojabohnen selbst wäre dann jedoch ein Gentech-Label erforderlich. Es sei denn, es gelingt den Lobbyisten noch, die Richtlinie entsprechend zu verwässern.
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