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Öl, Gas oder Fernwärme?

■ Die Preise für Heizgas werden sinken / Noch mehr als 58 Jahre lang kann die Menschheit die Erdgas-Reserven des Planeten plündern / Alles spricht für Gas - solange es keine Fernwärme-Netze gibt

Die ökologisch denkenden Energiepolitiker sind hin und her gerissen: Am 1. Juli wird das Erdgas um 9% billiger, meldete die Ruhrgas-AG vor einigen Tagen. Aber für die BremerInnen ändert sich erst einmal nichts: Die Bremer Stadtwerken voll wollen den Preisvorteil erst zum 1.Oktober und nur zum Teil weitergeben. Ist das im Sinne der Schonung der Erdgas -Ressourcen oder im Sinne der Konzepte des Ausbaus von Fernwärme-Versorgung?

Die Erdgaspreise orientieren sich an den Heizölpreisen, und die fallen in den letzten Jahren wieder ständig. Weltweit wird zudem mit einem Anstieg des Erdgas-Verbrauchs gerechnet.Vielleicht ist dann die Erzeugung von Sonnen -Energie preiswert möglich, erstmal wird jedenfalls der Erdgas-Anteil am Primärenergieverbrauch (derzeit bei 20% weltweit) noch steigen, und die bisher bekannten Vorräte reichen noch 58 Jahre lang.

Die Stadtwerke Bremen verzichten nicht freiwillig auf die besondere Handelsspanne, die der sinkende Gas-Preis ihnen verspricht, und die Vertreter des Bremer Senats im Aufsichtsrat verzichten nicht freiwillig auf die steigende Dividende, die im vergangenen Jahr neben der Konzes

sionsabgabe von ca. 60 Millionen immerhin zusätzliche 20 Millionen Mark in die defizitäre Staatskasse schafften. Auch aus Kreisen des Bremer Energiebeirates gibt es keine Kritik an der zögernden Preispolitik. Denn die sinkenden Gaspreise könnten in direkte Konkurrenz zu dem politisch gewollten Ausbau der Fernwärme-Netze geraten. Denn obwohl beim Verbrennen von Gas deutlich weniger Schadstoffe freigesetzt werden als vergleichsweise bei Kohle oder Öl, produzieren doch hunderte von Feuerstellen in den Kellern der Haushalte mehr „Dreck“ als ein gut ausgestattetes Fernheizkraftwerk.

Die Leitungen für Fernwärme werden allerdings derzeit nur in einem begrenzten Gebiet des Bremer Ostens geplant, wo die Fernwärme Tradition hat: Schon 1929 wurde das Heizkraftwerk in der Bismarckstraße gebaut (für das Krankenhaus), 1962 ein Heizkraftwerk für die Neue Vahr, mit dem Leitungs-Netz des Gas-Kraftwerks Hastedt (Block 14) wurden 1983 die drei „Inseln“ in einem Leitungsverbund verkoppelt. Dieses Netz wird mit dem neuen „Block 15“ in Hastedt, der im Bau ist und auf Kohle-Basis betrieben werden soll, weiter ausge

baut. Einen großer Teil der neuen Wärme-Kapazitäten wird allerdings das Daimler-Werk verbrauchen - insgesamt sind die Fernwärmepläne somit begrenzt und liegen in der Ferne der mittleren 90er Jahre, so daß die Stadtwerke heute noch flächendeckend für Erdgas werben. Sogar in Fernwärme -Präferenz-Gebieten werden noch Gas-Leitungen verlegt, und im Energiebeirat hat man sich immer wieder Anlässe für die verärgerte Feststellung, daß der Stadtwerke-Vorstand die widerstrebende Erdgas-Abteilung seines Hauses nicht „auf Linie“ der

Bremer Energie-Politik bringen kann. Die Koppelung von Gas -Verfeuerung und dezentraler Stromerzeugung in Blockheizkraftwerken - zum Beispiel für Hemelingen - liegt bei den Stadtwerken noch ganz unten in den Schubladen. Für das Tivoli-Hochhaus am Bahnhof konnte in dieser Woche buchstäblich in letzter Minute die Erneuerung einer Öl -Heizung verhindert werden (vgl. taz vom 23./24.6.), der Energiebeirat wird für das Behörden-Hochhaus wahrscheinlich ein gas-betriebenes Blockheizkraftwerk ins Gespräch bringen.

So hätte der grüne Wirtschafts-Experte Ralf Fücks überhaupt keine Bedenken, daß die Preisnachlässe voll an die VerbraucherInnen weitergegeben würden: Einen Mehrverbrauch befürchtet er nicht, und „im Moment konkurrieren Öl und Gas.“ Eine Konkurrenz zwischen dem - ökologisch sinnvolleren - Fernwärmeausbau und der Politik der billigen Gas-Heizungen gibt es für Fücks solange nicht, wie die Stadtwerke trotz vielfältiger Grundsatz-Erklärungen in der Praxis „keine offensive Fernwärme-Politik machen“.

K.W.

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