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Ökoverband nach TierschutzsskandalTierquälerfarm fristlos gekündigt

Der Ökoverband Naturland schließt nach einem Tierschutzskandal die betroffene Farm aus. Bisher hatte er dem Betreiber Ausnahmen gestattet.

Entfernter Auslauf: Naturland wollte testen, ob Hennen weiter laufen Bild: ap

BERLIN taz | Nach einem weiteren Tierschutzskandal bei Deutschlands größtem Bioeiervermarkter Wiesengold schließt der Ökoverband Naturland die betroffene Farm aus. „Naturland wird dem Betrieb fristlos kündigen“, sagte Geschäftsführer Steffen Reese am Donnerstag der taz. Videoaufnahmen der Tierrechtsorganisation Peta aus dem Stall im niedersächsischen Twistringen hätten gezeigt, dass die Legehennen dort „extrem am Leiden“ waren. „Ich bin fassungslos.“

Reese bemängelte, dass die kranken Hühner offensichtlich nicht behandelt wurden. „Die Tiere, die tot waren, lagen da nicht erst seit fünf Minuten. Das heißt, der Betrieb kann bei Kontrollgängen kein ausreichendes Management durchgeführt haben“.

Der Naturland-Geschäftsführer kritisierte auch die Kontrollstelle des Betriebs, das Institut für Marktökologie (IMO). „Uns ist im Augenblick nicht erklärbar, dass diese Situation nicht zutage getreten ist, wenn da so viele Kontrollen stattfinden.“ Deshalb beauftrage Naturland nun eine andere Kontrollstelle, sämtliche rund 30 Betriebe zu überprüfen, die wie die Farm in Twistringen dem Unternehmer Heinrich Tiemann ganz oder teilweise gehören und Wiesengold beliefern.

Weder Tiemann noch das IMO wollten sich zu dem Fall äußern. Peta-Berater Edmund Haferbeck begrüßte die Ankündigung, forderte aber: „Naturland muss nun sein Zertifizierungssystem verschärfen und IMO rausschmeißen.“

Hennen laufen nicht weiter als 150 Meter

Bisher hat Naturland Tiemann sogar Ausnahmeerlaubnisse von seinen Richtlinien erteilt. Dabei wirbt Naturland, dass seine Standards strenger seien als die des staatlichen Biosiegels. So müssen Naturland-Geflügelfarmen den Auslauf von 4 Quadratmetern pro Henne in einem Umkreis von maximal 150 Metern vom Stall zur Verfügung stellen. Denn Hennen laufen Experten zufolge nicht viel weiter.

Das Limit soll indirekt auch die Größe der Ställe begrenzen. „Fünf Betriebe aus dem Bereich Tiemann und ein anderer haben bis 30.6.2013 befristete Ausnahmegenehmigungen bekommen“, so Reese. Naturland habe testen wollen, ob die Hennen nicht doch weiter laufen.

Matthias Rackwitz von der Bürgerinitiative gegen die geplante Massenhaltung von Ökolegehennen im brandenburgischen Löpten bezweifelte das: „Die wollen nur möglichst viele Eier mit Naturland-Logo im Markt sehen“.

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11 Kommentare

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  • B
    Bioderkonsum

    Es ist Mitte März 2013. Wiesengold/Tiemann darf nach wie vor das Naturland-Siegel benutzen. Es glaubt doch wohl nicht irgendeiner, dass sich etwas zum Besseren verändert hätte. Solange es Bio auch in Supermärkten, also als Massenware, gibt, kann es kein Bio sein.

  • A
    Antonietta

    - Männliche Küken werden direkt nach der Geburt getötet

    - Den Legehennen wird unter Schmerzen der Schnabel gekürzt

    - In der Natur legen Hühner einmal im Jahr Eier

    - Heutige "Lege-"hennen sind soweit qualgezüchtet, dass sie fast jeden Tag ein Ei legen müssen

    - Durch den Dauerstress kommt es zum Federrupfen, bis hin zum Töten der Artgenossen

    - Nach ca. 15 bis 18 Monaten werden die Legehennen geschlachtet, da die Legeleistung nachlässt

  • P
    privtdb

    Es ist widerlich!!! Man darf Bio nicht dem freien Markt überlassen. Man sieht was solchen Herren, aus der ehemaligen Massentierhaltung daraus machen! Für solche Subjekte ist das nur ein weiterer Marketinggag. Die scheißen doch auf Öko! Und den meisten Verbrauchern ist es eigentlich auch egal! Hauptsache das Mittelstands-Öko-Mäntelchen zur Abbitte ist umgehängt (früher hat man in der Kirche für drei Rosenkränze gebeichtet, war genauso für´n Arsch!).

  • EW
    Eckard Wendt, AGfaN e.V.

    Naturland hat nun endlich durchgegriffen. Das ist gut so, reicht aber nicht. Unabhängig von der Arbeit der neu engagierten Prüfstell, sollten Naturland und die anderen Bio-Verbände auch eigene Kontrollen durchführen. Dazu muß man nur zu den Hühnerhaltungen hinfahren und über den Zaum schauen. Fast immer fehlen Schutzvorkehrungen im Auslauf. Nur Kamikaze-Hennen laufen 150 m in die freie Fläche oder am Zaun entlang. Nach etwa 30 m ist die Angst zu groß und die Hennen bleiben am Stall, wo es zu extrem Hohen Koteintrag mit entsprechendem re-Infektionsdruck kommt.

    Es gibt zudem kein besseres Haltungssystem als das Weiland Hühnermobil. Die massiven, auf Eisenkufen stehenden Mobilställe von Wördekämper-Kellenberg sind zu umständlich zu handhaben, so daß sie meistens nur einmal im Jahr umgestellt werden. Da muß dann das Auslaufmanagement exorbitant gut sein, damit befriedigende Ergebnisse herauskommen und die Tiere gesund bleiben.

  • G
    Gertrd

    Go Vegan!!!

  • N
    Notausgang

    Die Öko Wirtschaft verkommt auch immer mehr.

    Muß sich ja dem Trend der Zeit anschließen.

     

    Am besten üben wir uns darin, nur noch von Luft und Liebe zu leben.

     

    Aber das wird dann sicher auch noch gewinnbringend verramscht.

     

    Arme Welt.

     

    Wo ist der Notausgang?

  • S
    Sabine

    Jede Form von Massentierhaltung bedeutet Qual für die Tiere. Der Verbraucher entscheidet beim Einkauf, ob er diese Art der Tierhaltung unterstützt. Alternativ lohnt es sich in vielerlei Hinsicht, sich mit veganer Ernährung zu beschäftigen, sei es aus ethischen und oder gesundheitlichen Gründen. Auf jeden Fall aber müssen die profitgesteuerten Foltermethoden ein Ende haben!

  • F
    freimann

    Was denn, alte Hühnerleichen im Ökostall ?

     

    Gibts doch gar nicht - doch bei Tiemann !

     

    Kann Wiesengold wirklich gegen Wiesenhof punkten ?

     

    Etwas weniger Naivität im Glauben an formale Kontrollprozesse würde auch Naturland gut anstehen.

     

    Schliesslich geht es hier um nichts weniger als das kurze Lebensglück des Biohuhns.

  • H
    Hühnerbaron

    Ausnahmegenehmigungen geben alle Anbauverbände - viel zu viele. Und behaupten hinterher, sie hätten die strengeren Richtlinien! Dabei profitieren die Verbände davon, dass nicht strengere Richtlinien in der EU-Vordnung vorgeschrieben sind. Ja, sie verhindern sogar, dass sie strenger gefasst werden, um so "einfacher" die 'Ausnahmen' zuzulassen.

    Die Anbauverbände sollen offenlegen, wieviele Ausnahmegenehmigungen sie erteilen - und die Politiker sollen die Krise nutzen und eine tierschutzgerechte Landwirtschaft (als Modell zunächst in Bio) auf den Weg bringen.

  • W
    Waage

    Liebe Leute von Naturland,

     

    ihr könnt nicht bei den normalen Verbandsbetrieben beinhart die Standards kontrollieren und bei Großbetrieben Ausnahmen machen. Entweder kann man auch in großen Betrieben die Standards einhalten oder eben nicht, dann gibt es auch kein Siegel.

     

    Für Grundlagenforschung wie weit Hennen laufen können sind eigentlich staatliche Versuchsgüter zuständig.

     

    Es ist menschlich, dass in seltensten Fällen auch in einem tierhaltenden Betrieb mal ein Lapsus passiert. Ein Biobetrieb eines alten Verbandes sollte sich aber im ganz besonderen Maße der gläsernen Produktion verpflichtet fühlen.

     

    Das heißt es muss nicht nur alles in Ordnung sein wenn die turnusgemäße Verbandskontrolle durchgeführt wird, sondern auch wenn z.B. Petaleute unangemeldet (und eigentlich auch unrechtmäßig, aber o.k. - in diesem Falle geschenkt) ihren Schnüffel in den Stall stecken!

     

    Also es muss eigentlich jederzeit alles in Butter sein. Diesen Anspruch haben inzwischen übrigens auch viele konventionelle TierhalterInnen.

     

    Apropos:

    Es kann nicht sein, dass z.B. im Hühnerbereich top- geführte konventionelle "Freiland"- oder Volierenbetriebe in Punkto Betreuungsintensität und z.T sogar Haltungsstandards einigen Biobetrieben den Rang abzulaufen beginnen.

    Wenn man bemerkt, dass sich im konventionellen Bereich und auch in der industriellen Tierhaltung trotz immer größer werdender Bestände im Vergleich mit den 70/80er Jahren viel gebessert hat muss eben in der Biotierhaltung die Latte noch höher gehängt werden um auch weiterhin die wesentlich höheren Ladenpreise zu rechtfertigen.

     

    Hier muss eine Entwicklung stattfinden, man kann sich nicht einfach auf alten Lorbeeren ausruhen - Biolandwirtschaft muss IMMER Avantgarde sein!

  • S
    sinatra

    und immer wieder dieser horrortrip, in dieser unserer welt gehts nur um kohle, da sind dann nun mal alle ein bisschen entgegenkommend, warum nicht auch in der "öko- ecke", masse statt klasse bei den ökos, wunderbar, mir wird entgültig schlecht.

    RUFE HIERMIT ZUM BOYKOTT VON "NATURLAND" AUF, sollen

    sie doch ihre geldscheine essen.