Ökotouristisches Netzwerk: Die grüne Steinwüste

Im Westen Irlands liegt der Burren. Auf den ersten Blick eine Mondlandschaft, auf den zweiten ein bizzares Gebirge, das ökologische Visionen erlaubt.

Die Felsen des Burren spiegeln sich im Wasser

Der Burren National Park Foto: robert Harding/imago

„Und irgendwann nimm dir die Zeit, um in den Westen zu fahren, in die Grafschaft Clare, entlang der Flaggy Shore.“ So beginnt das Gedicht „Postscript“ des irischen Literaturnobelpreisträgers Seamus Heaney. Er hat im Burren, einem der größten Kalksteingebiete Europas, oft Urlaub gemacht und der Gegend ein literarisches Denkmal gesetzt.

Auf den ersten Blick sieht das Gebiet wie eine Mondlandschaft aus: graue Steinhügel und helle Kalksteinplatten, so weit das Auge reicht. Der Name dieser Gegend im Westen Irlands scheint es treffend auszudrücken: „Burren“ stammt vom irischen Wort „boireann“ ab, was „felsiger Ort“ bedeutet. Oliver Cromwells Offiziere behaupteten: „Zu wenig Bäume, um einen aufzuhängen, zu wenig Wasser, um einen zu ersäufen, zu wenig Erde, um einen zu verscharren.“

Wer genauer hinsieht, entdeckt jedoch eine landschaftliche Vielfalt, die einmalig in Europa ist. In dem gut 500 Quadratkilometer großen Gebiet wachsen Pflanzen aus dem Mittelmeerraum, aus den Alpen und aus der Arktis einträchtig nebeneinander. Es gibt 27 Arten von Orchideen in Irland, 25 davon wachsen im Burren, und drei Viertel der irischen Wildblumenarten kommen hier vor.

Ein besonderes Phänomen sind die Senken, die im Winter von unterirdischen Quellen geflutet werden und im Sommer austrocknen. Die ökologisch hochsensible Karstlandschaft hat sich in der Karbonzeit vor 350 Millionen Jahren gebildet. Die letzte Eiszeit ging in Irland vor 12.000 Jahren zu Ende. Als sich das Eis zurückzog, blieben die Felsbrocken, aber auch Erde und Samen aus arktischen Regionen zurück.

Anfahrt Der schnellste Weg von Deutschland nach Irland führt über London. Zuerst mit der Bahn von Köln nach Brüssel (knapp 2 Stunden). Von dort verkehrt der Eurostar viermal täglich nach London (ca. 2:45). Nach einem Bahnhofswechsel von London St. Pancras nach Euston – 600m Fußweg – fahren von dort Züge zu dem walisischen Hafen Holyhead (gut 4 Stunden). Von Holyhead fahren sechs Mal täglich Fähren in gut drei Stunden nach Dublin (Stenaline oder Irish-Ferries). Vom Dubliner Hafen mit Bus 53 bis Busáras fahren, dort in LUAS (Straßenbahn) Red Line umsteigen und bis Heuston Station fahren (45Minuten). Dort den Zug nach Galway nehmen (2,5 Stunden): Vor dem Bahnhof mit Bus 350 nach Ballyvaughan (1 Stunde) fahren. Die reine Fahrzeit von Köln in den Burren beträgt also rund 16 Stunden, wobei aber die Umsteige- und Wartezeiten nicht eingerechnet sind https://bustimes.org/services/350-ennis-bus-station-eyre-square-galway-bus-stati

Burren Ecotourism Network B.E.N. ist ein Netzwerk von über 60 touristischen Unternehmen. Ihr Ziel: den Burren als nachhaltige Region zu etablieren. Das Netz unterstüzt und bildet seine Mitglieder weiter. Das Burren Ökotourimsus Netzwerk und der UNESCO Global Geopark arbeiten gemeinsam am Ziel nachhaltiger Entwicklung www.burren.ie

Der englische Autor J. R. R. Tolkien ließ sich vom Burren zu seiner Kulisse von Mordor inspirieren. Die Flussdurchgangshöhle Pollnagollum, mit mehr als 16 Kilometern die längste Höhle Irlands, soll für die Figur „Gollum, das wohl seltsamste Geschöpf unter dem Himmel“ aus Tolkiens Mittelerde-Legendarium Pate gestanden haben.

Eine alte Kulturlandschaft

„Touristen glauben, sie haben eine unberührte, wilde Natur entdeckt“, sagt Kate Lavender. „Aber der Burren ist keine wilde Landschaft, er ist seit dem Neolithikum eine bewirtschaftete Landschaft. Wegen der Landwirtschaft ist es ein Biodiversitäts-Hotspot. Wenn man den Burren der Renaturierung überließe, wäre er verloren, die Haselnusssträucher würden alles überwuchern, und die einzigartige Flora wäre verloren. Es gäbe den Burren nicht mehr.“

Lavender ist 46 Jahre alt, sie stammt aus Lancashire in England. Als sie 2004 am Trinity College Geologie Dublin studierte, traf sie dort ihren künftigen Ehemann aus Nordirland. „Ich überredete ihn, mit mir zurück nach Lancashire zu ziehen, wo ich mein Studium abschloss.“ 2009 kehrten sie mit ihren beiden Kindern nach Irland zurück und ließen sich im Burren nieder.

„Die Regierung hat das Burren-Farmprogramm ins Leben gerufen“, sagt Lavender. „Sie erledigt die Bürokratie für die Bauern, schreibt ihnen aber nicht vor, was sie zu tun haben. Die Bauern stellen jedes Jahr ihren eigenen Plan auf.“ Ein tolles Programm, schwärmt Lavender, und es wachse von Jahr zu Jahr.

Es bietet finanzielle Unterstützung für Bauern, die sich neben ihren Nutztieren um Biodiversität, Archäologie und sauberes Wasser kümmern. Es ist ein zukunftsweisendes Agrar-Umwelt-Programm, dessen Ziele eine nachhaltige Landwirtschaft, die Bewahrung des kulturellen Erbes und die Verbesserung der Wasserqualität sind.

„Das ist ein Programm für Kopf und Geldbeutel“, sagt Lavender. „Burrenbeo ist fürs Herz.“ Sie arbeitet seit 2012 bei Burrenbeo, „lebendiger Burren“, einer Stiftung, die sich um den Erhalt der Landschaft kümmert. Sie wird staatlich nicht unterstützt, erhält aber vom Rat für kulturelles Erbe einen Zuschuss, der jedes Jahr neu beantragt werden muss. „Es geht bei Burrenbeo darum, dass die Besucher über den Tellerrand hinausschauen und etwas über die Landschaft lernen“, sagt sie. Der Burren sei ständig in Gefahr, vor allem durch Tourismus.

Ein Netzwerk für ökologischen Tourismus

Im Mai fragte die Irish Times ihre Leser nach dem besten Urlaubsort in Irland. 1.200 Menschen schickten ihre Vorschläge ein, eine Jury wählte unter Berücksichtigung der Kriterien Landschaft, Vielfalt, Service für Touristen, öffentlicher Verkehr, Unterkunftsangebot und Kosten den Gewinner aus: den Burren.

Kate Lavender steht vor einem Haus

„Touristen glauben, sie haben eine unberührte, wilde Natur entdeckt“, sagt Kate Lavender Foto: Ralf Sotscheck

Auch Lonely Planet, der Verlag für unabhängige Reiseführer, hatte den Burren voriges Jahr in die Bestenliste für nachhaltigen Tourismus aufgenommen. Das Burren Ecotourism Network wurde als „bestes touristisches Projekt“ ausgewählt. Das Netzwerk wurde 2011 gegründet, heute gehören ihm 70 lokale Betriebe an, die sich der Förderung der Region durch verantwortungsvollen Tourismus und Nachhaltigkeit verschrieben haben.

„Der Tourismus hat stark zugenommen“, sagt Lavender, „vor allem die Bustouren. Manche Busunternehmen bieten Tagestouren aus Dublin an, 250 Kilometer hin und 250 Kilometer zurück. Die weniger bekannten Orte lassen sie links liegen, sie fahren lediglich zu den berühmten Sehenswürdigkeiten.“ Dazu gehören die Steilklippen der Cliffs of Moher, nach der Guinness-Brauerei in Dublin der meistbesuchte Ort der Insel, und der Poulnabrone Dolmen.

Dieses Portalgrab ist das älteste megalithische Monument des Landes, es ist rund 6.000 Jahre alt. Es besteht aus großen, aufrecht stehenden Steinblöcken und einem 3,60 Meter großen Deckstein. „Früher, bevor man ihn mit einem Seil abgesperrt hat, sind die Touristen oft auf den Dolmen geklettert und darauf herumgehüpft“, erzählt Lavender. „Die meisten Besucher wissen nichts über die Landschaft, sie lassen kein Geld hier, sie machen die Straßen und Kulturstätten kaputt. Zu Hause würden sie ja auch nicht auf dem Grab der Oma herumspringen. Und viele lassen Tore und Gatter einfach offen, was für die Bauern eine Plage ist.“

Burrenbeo will den Touristen aus dem In- und Ausland Wissen über die Karstlandschaft vermitteln. „Wenn die Menschen mehr über die Landschaft wüssten, wären sie bestimmt sorgsamer“, sagt Lavender. „Viele Probleme im Zusammenhang mit Tourismus könnten dadurch vermieden werden, auch wenn die Leute nie dasselbe Verständnis für die Landschaft aufbringen werden wie jemand, der dort geboren und aufgewachsen ist.“

Prähistorische Monumente

Lavender hat im März archäologische Feldstudien in Doolin betrieben und schreibt jetzt ihre Abschlussarbeit. „Doolin ist völlig unterschätzt“, sagt sie. Das kleine Fischerdorf am Atlantik, wo die Fähren zu den Aran Islands ablegen, ist vor allem wegen der traditionellen Musik bekannt. „In der kurzen Zeit, in der ich dort herumstöberte, habe ich drei prähistorische Monumente entdeckt, und es gibt noch sehr viele mehr. Im Burren wimmelt es geradezu davon.“

Wärmebilder bestätigen, dass es in der Grafschaft Clare, zu der der Burren gehört, mehr als 200 ringförmige Forts aus dem 6. Jahrhundert, dutzende Fulachtí Fiadh, Gemeinschaftsochstellen aus der Bronzezeit, 23 noch erhaltene Crannógs, Behausungen auf künstlichen Inseln aus der frühchristlichen Zeit, sowie 80 sogenannte Keilgräber aus der Jungsteinzeit gibt.

„Das schönste Keilgrab ist Parknabinnia auf den Roughan Hill“, sagt Lavender. Es hat einen etwa drei Meter langen, mit einer Erd- und Rasenschicht bedeckten Deckstein und seitliche Tragsteine. Ein Ende ist geschlossen, während das andere Ende einen kleinen Zugang frei lässt.

Paul Keane war 88 Jahre alt, als er 1999 eine Geschichte über Parknabinnia erzählte. Er lebte in einem kleinen Cottage unterhalb des Keilgrabs. „Als ein Bauer ein paar Steine von dort wegnahm, um einen Schuppen zu bauen, bekam er heftige Seitenstiche. Trotzdem kehrte er am nächsten Tag zurück, um weitere Steine zu sammeln. Zu Hause angekommen, musste er sich vor Schmerzen ins Bett legen, und er stand nicht wieder auf, bis er starb. Und er starb in den folgenden acht oder neun Tagen mehrere Male, bis er endgültig tot war.“

„Parknabinnia“, sagt Lavender „ist ein wundervoller Ort, um es sich mit einer Thermoskanne Kaffee gemütlich zu machen, die Aussicht zu genießen und an all die Menschen zu denken, die vor uns hier waren und ihre Spuren in der Landschaft hinterlassen haben.“

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