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Ökonom über die Sparpolitik„Regierung gibt sich zu wenig Mühe“

Finanzminister Schäuble könnte mehr sparen, sagt der Ökonom Rainer Kambeck. Im Verteidigungshaushalt und bei Subventionen sei noch was zu holen.

Weniger geht immer, meint der Ökonom. Bild: complize / photocase.com
Hannes Koch
Hannes Koch
Interview von Hannes Koch und Hannes Koch

taz: Herr Kambeck, die deutsche Wirtschaft läuft gut, die Steuereinnahmen fließen reichlich. Trotzdem beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch weitere Milliarden Schulden für 2013. Ist das gerechtfertigt?

Rainer Kambeck: Nein, man kann in der Tat kritisch anmerken, dass die Neuverschuldung in diesem und kommendem Jahr verglichen mit 2011 wieder ansteigen soll. Und das, obwohl die Steuereinahmen zulegen. Die Regierung gibt sich zu wenig Mühe, ihre eigenen Beschlüsse aus dem zurückliegenden Sparpaket umzusetzen. Eigentlich wollte sie mehr Mittel aus dem Verteidigungshaushalt herauskürzen. Beim Abbau von Subventionen für Unternehmen ist die Koalition ebenfalls zu zurückhaltend.

Beispielsweise erhält die Deutsche Bahn weiterhin hohe Investitionszulagen, obwohl der Konzern beträchtliche Gewinne erzielt. Einsparungen wären auch möglich, indem man Vergünstigungen bei der Energiesteuer oder bei der Umsatzsteuer einschränkte. Auch bei der Einkommensteuer können auf lange Sicht Vergünstigungen wie steuerfreie Zuschläge oder die Pendlerpauschale reduziert werden.

Bereits 2014, sagt Finanzminister Wolfgang Schäuble, werde er die Schuldenbremse anwenden. Aber auch für jenes Jahr plant er noch 14 Milliarden Euro neue Kredite. Welchen Sinn hat eine Bremse, bei der die Regierung munter weiter Gas gibt?

Es wäre ein Missverständnis anzunehmen, dass die Schuldenbremse neue Kredite komplett verbietet. Sie müssen sich allerdings in engen Grenzen halten. Wenn die Neuverschuldung beispielsweise nur um ein Prozent steigt, das Wirtschaftswachstum aber um zwei Prozent, sinkt die gesamtstaatliche Belastung. Absolut betrachtet legt die Staatsverschuldung zwar weiter zu, relativ zur Wirtschaftsleistung nimmt sie aber ab. Das ist das Entscheidende.

Wir haben jetzt eine Zeit guter Konjunktur. In einigen Jahren wird die nächste Krise kommen – mit steigender Neuverschuldung. Anstatt auch jetzt noch zusätzliche Kredite aufzunehmen, müsste die Regierung doch eigentlich Überschüsse zurücklegen, damit sie in der Krise Mittel zum Investieren hat.

RWI
Im Interview: Rainer Kambeck

50, Ökonom am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, Mitglied im Arbeitskreis Finanzwissenschaft beim Bundesfinanzminister.

Diese Überlegung ist grundsätzlich richtig. Wobei wir jetzt in Rechnung stellen müssen, dass wir aus dem tiefen Tal von 2009 kommen. Erst allmählich findet die deutsche Wirtschaft wieder zu ihrer alten Kraft, die sie vor der Finanzkrise hatte. Augenblicklich wäre es deshalb verfrüht, Überschüsse im Bundeshaushalt zu verlangen.

In den kommenden Jahren jedoch könnte sich die Lage so positiv entwickeln, dass tatsächlich Rücklagen gebildet werden müssten. Dann reicht der bisherige Plan, nur die Neuverschuldung zu reduzieren, möglicherweise nicht mehr aus.

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5 Kommentare

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  • H
    HartzIV?

    Bekommen doch schon jetzt inklusive Kindergeld und Betreungsgeld oft mehr als Menschen die arbeiten.

  • J
    Jaheira

    Das ist aber ein oberflächliches Interview.

     

    Herr Kambeck geht offenbar davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland positiv entwickeln wird. Andere Ökonomen tun das nicht, z.B. Prof. Paul Krugman. H. Krambeck referiert, dass wir mehr Schulden machen dürfen, solange die Wirtschaft wächst. Eigentlich müssten doch jedem die Haare zu Berge stehen, wenn man an den umgekehrten Fall denkt: in der Rezession steigt die relative Staatsverschuldung, selbt wenn der Geldbetrag gleich bleibt. Gerade dann sinken aber auch die Einnahmen und der Staat wird evt. gebraucht, damit die Nachfrage auf dem Markt nicht noch radikaler einbricht. Dieses reale Szenario ist weder für die TAZ noch für den Ökonom ein Thema.

     

    Die Bahn, die sämtliche Gewinne an den Staat abliefert und ihre Steuern natürlich auch, soll bespart werden, indem die Zuschüsse reduziert werden? Das könnte sogar funktionieren, wenn sich durch die veränderte Finanzierung ihr Verhalten ändert. Ich kann im Interview aber nicht erkennen, ob Herr Kambeck so weit gedacht hat.

  • A
    Anne

    Bei von der Leyen ist noch viel zu holen. Die Frau verprasst noch immer unser Geld. Gerade mal jeder zweite Euro, der für Hartiz gedacht ist, kommt auch beim Hartzi an. Da ist viel Luft, um den Regelsatz zu erhöhen und trotzdem noch Geld zu sparen.

    Die Korruption sollte auch endlich mal bekämpft werden. Wenn man es mal schaffen werden würde, die vielen Deutschen, die innerlich gekündigt haben, wieder für die Arbeit zu begeistern, würde das auch zusätzliche Einnahmen im 2 stelligen Mrd. Bereich bringen.

    An ernsthaften Reformen ist Merkel aber nicht interessiert und genau das ist das Problem.

  • P
    Politix

    Was hier fehlt - es ist nicht alleine eine ökonomische Entscheidung wo was gespart wird, es viel mehr eine politische. An dieser Sparhaltung der Regierung (Kürzung wieder nur bei den Ärmeren, während die Waffenindustrie weiterhin verschont bleibt) kann mensch eben sehr viel von ihrem Grundverständnis einer Gesellschaft lernen. Bzw. wer wie viel Wert ist in der Gesellschaft.

  • K
    Kaufmann

    Na da simma dabei. Mensch das Interview hättet ihr auch mit Koch oder Steinbrück vor ein paar Jahren führen können. Wenn Wähler mit dem Steuerversprechen gelockt wurden, dann galt es die versteckten Subventionen im Schiffsbau und der militärischen Entwicklung bzw. die Niebelschen Verschwendungssucht einzudämmen, aber nicht bei der Pendlerpauschale oder den Arbeitnehmerzuschlägen. Man könnte auch die nach wie vor hohen Beteiligungen bei den Kurzarbeiter-, Schlechtwetter- etc. pp -zuschlägen kürzen, dann geht zwar die Arbeitslosenquote hoch, aber der Etat der Agentur für Arbeit wird gesenkt und die Statistik nicht im Goebbelschen Sinne frisiert.

     

    Es sprudelt auch nicht das Steueraufkommen. Aber trotzdem vielen Dank liebe TAZ für die Arbeitgeberfreundliche Darstellung.