Ökonom über Kauf von Bio-Produkten: „Deutsche haben schwierige Haltung“
Umweltfreundliche Produkte finden die Meisten gut – trotzdem kaufen viele anders ein. Dominik Enste vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erklärt, warum.
taz: 74 Prozent der Deutschen kaufen laut einer neuen IW-Studie regelmäßig umweltfreundliche Produkte. Warum ist dann der Marktanteil etwa von Bioprodukten trotzdem so gering?
Dominik Enste: Das, was Menschen für richtig erachten, tun sie ja nicht immer tatsächlich. In der Theorie nennt man das Mind-Behaviour Gap. Man hat vielleicht eine moralische Grundeinstellung, aber die manifestiert sich nicht unbedingt im Verhalten – das kennen wir alle ganz gut von den Vorsätzen beim Jahreswechsel. Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen.
Vielleicht ist man doch nicht bereit, den Preis für Bioprodukte zu bezahlen. Oder man hat einfach seine Gewohnheiten, benutzt schon immer das eine Waschmittel und tut sich nun schwer, auf ein ökologischeres umzusteigen. Manch einer assoziiert etwa mit Produkten aus dem Eine-Welt-Laden eine schlechtere Qualität.
Die Studie zeigt auch, dass das Vertrauen der Deutschen in umweltfreundliche Produkte geringer ist als in anderen europäischen Ländern. Ist es also auch eine Vertrauensfrage?
Ja, nur 43 Prozent der Deutschen vertrauen darauf, dass die Produkte wirklich umweltfreundlicher sind. Vergleicht man verschiedene Studien, sieht man, dass die Deutschen generell eine gewisse Skepsis gegenüber der Wirtschaft und Unternehmen haben. Ganz grundsätzlich gibt es in Deutschland eine hohe Produktqualität – aber die Deutschen sind umso enttäuschter, wenn es einen Skandal gibt.
Ist das so auf die Biobranche übertragbar?
Der 48-Jährige beschäftigt sich beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) mit Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik und ist Geschäftsführer der IW Akademie.
Ja, diese Skepsis gilt eben auch für Bioprodukte oder umweltfreundliche Produkte allgemein. Auch in der Ökobranche gab es ja schon Skandale, zum Beispiel bei Eiern. Man darf aber auch nicht verkennen, dass die Deutschen eine schwierige Haltung zu Lebensmitteln haben. Lebensmittel sind in Deutschland europaweit mit am günstigsten, die Deutschen wollen zum kleinen Preis perfekte Qualität. Das geht auch anders: Die Franzosen geben gern viel Geld für gute Lebensmittel aus.
Was müsste also etwa die Ökobranche tun, um das Vertrauen zu stärken?
Das Wichtigste ist es natürlich, Skandale zu vermeiden, deswegen sollten Firmen in Prävention investieren. Wenn es gut läuft, müssen sich die Unternehmen fragen: Warum läuft es gut und wie kann man sich absichern, was haben wir für eine Unternehmenskultur? Eine andere Lösung kann ein verlässliches Siegel für Ökoprodukte sein. Leider haben wir eine Vielzahl von Siegeln, sodass es unübersichtlich wird.
Aber wenn Deutsche so auf die Kosten ihrer Lebensmittel achten – ist es dann nicht letztlich alles nur eine Frage des Preises?
Natürlich ist es auch eine Frage des Preises und des Einkommens, ich würde es aber nicht darauf beschränken. Wenn ich mich darauf verlassen kann, dass in der Verpackung Biofleisch drin ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich es kaufe. Es ist eine Mischung aus dem Preis, der eigenen Haltung, der Glaubwürdigkeit der Firmen und natürlich auch der Verfügbarkeit.
Gab es in der Vergangenheit nicht einfach auch schon zu viele Umweltskandale?
Na ja, Menschen konzentrieren sich einfach eher auf negative Dinge, Skandale bleiben eher im Gedächtnis. Wenn jemand mehr für Biofleisch bezahlen soll, ploppt dann vielleicht wieder der Gedanke auf: Ah, da war doch mal was. Und schon hat man eine gute Entschuldigung, warum man das Geld doch nicht ausgibt – weil man ja nicht ganz sicher sein kann, ob wirklich Bio drin ist.
Das ist ein empirisch sehr gut belegtes Phänomen: Was ihre eigene Moral angeht, überschätzen sich Menschen maßlos. Man denkt immer: Auch wenn ich jetzt mal kein Biofleisch kaufe, bin ich trotzdem jemand, der auf umweltfreundliche Produkte achtet.
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