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■ ÖkolumneGrüner Friede mit dem Auto Von Winfried Wolf

Kanzler Kohl kann Greenpeace nicht gemeint haben, als er auf der Internationalen Autoausstellung (IAA) feststellte: „Es ist ganz erstaunlich, wer alles gegen das Auto redet und dabei ganz happy ist, daß er eines besitzt. Das ist gelebte Heuchelei.“ Der Verband Greenpeace, der lange zum Thema Auto schwieg, dann in Verdacht geriet, gegen das Auto zu sein, ist rehabilitiert: Er will nur andere Autos. Und ist auf der IAA mit einem Plakat vertreten, auf dem zu lesen ist: „Greenpeace zeigt Ihnen bald Möglichkeiten, wie Sie auf dem Automobilmarkt aktiv werden können.“

Natürlich könnte man sagen: Ein Spritverbrauch von einem Drittel wäre zwar kein Öko-Pkw, aber auch nicht ohne. Nun propagiert Greenpeace seinen „Spar- Car“ zu dem Zeitpunkt, wo die Autoindustrie ihr neues Ziel, die massenhafte Durchsetzung von Zweit- und Drittwagen, propagiert. Es geht um die Aufsplittung der Mobilitätsfunktionen in einzelne Pkw-Typen: Shopping Car, City Car, Family Car, Fun Car, Marlboro-Car.

Zeitgleich mit Beginn der Greenpeace-Kampagne schaltete VW ganzseitige Anzeigen mit dem Text: „Irgendwann kommt in fast jeder Familie das Thema auf den Tisch: Ein zweites Auto wäre nicht nur eine feine Sache, sondern ein zweites Auto ist eine Notwendigkeit.“ Wo Autowerke neu entstehen, sind sie für konventionelle Pkws (vor allem für die Motorisierung Osteuropas), für traditionelle Dieselfahrzeuge, um die anvisierte Verdoppelung des Diesel-Pkw-Bestands in der BRD „bewältigen“ zu können, und für Sport- und Freizeitautos (BMW und Mercedes in den USA) bestimmt. Nicht einmal eine Nische, wo das Öko-Pkw- Werk zu finden sein würde, ist auszumachen. „Swatch- Car“: abgesagt; „Öko-Polo“: war nix; die „Enthüllung“ der sechs Jahre alten Studie „Vesta“ durch Greenpeace auf der IAA: eine Lachnummer. Der Hersteller Renault erklärt, dieses Fahrzeug sei „nicht alltagstauglich“, und Renault-Pressesprecher Röser gibt sich en passant als Greenpeace-Mitglied zu erkennen.

Mercedes stellte auf der IAA einen Öko- Pkw namens „Vision“ vor, der „sicher gebaut“ würde ... frühestens 1997. Die echte Vision ist auf der IAA präsent: das Chrysler-Modell „Vision“ für schlappe 67.750 Mark, mit sechs Ventilen und 211 PS.

39,1 Millio-Foto: taz-Archiv

nen Pkws gibt es in diesem Land – genügend, um alle Deutsche, Greise und Säuglinge inbegriffen, auf den beiden Vordersitzen Platz nehmen zu lassen. Seit einigen Tagen liegt die neue Shell-Studie zur „Motorisierung bis 2010“ vor. Danach steigt die Zahl der Pkws in der BRD nochmals um 10 Millionen, auf 48,8 Millionen. Der Spritverbrauch soll bestensfalls von derzeit 9,9 Liter pro 100 Kilometer auf 8,1 Liter zurückgehen. Dabei zeichneten sich alle Shell-Studien seit zwei Jahrzehnten dadurch aus, daß sie erstens das Wachstum des Pkw-Bestandes zu niedrig angaben und zweitens immer von einer Reduktion des Spritverbrauchs fabulierten, die so nie stattfand. Die Bilanz lautet: mehr Autos, mehr Schadstoffe. Die „sechsstellige Zahl“ von Öko-Pkws, von denen Greenpeace schwadroniert, heißt nichts anderes als: ebenso viele zusätzliche Pkws, die einen Teil dieses Mehr an Schadstoffen, an Zerstörung, an Autowahn materialisieren.

Frau Emmerich vom Verband der Deutschen Autoindustrie meldet sich auf der IAA wie folgt zu Wort: „Wir dürfen den Bürgern nicht vorgaukeln, daß sich die Arbeitsteilung zwischen den Verkehrsträgern umkehren lasse.“ Just in diesem Sinn präsentierte der Greenpeace-Geschäftsführer das neue – alte – Weltbild: „Es sei vor einem weitverbreiteten Mißverständnis gewarnt. Öffentlicher Verkehr ist nicht per se ökologisch. Seine Subventionierung ist ebenso unsinnig wie die des motorisierten Individualverkehrs.“

Der grüne Friede mit dem Auto mündet in einem neuen Dualen System Deutschland: José Ignacio López läßt weniger Menschen mehr Autos bauen, und die Green & Car Peace Trading Co. verleiht diesen den Grünen Punkt.

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