■ Ökolumne: Risiko Gentechnik Von Katrin Grüber
Manfred Kriener hat an dieser Stelle vergangene Woche in ein Maiglöckchenbeet geschaut, hat Autos, die Nato, die Turbokuh und die Grünen entdeckt und sich gewundert, daß letztere sich nicht in die Debatte um die Gentechnik einmischen. Aber vielleicht sollte man auch nicht im Maiglöckchenbeet nachschauen.
Es ist allerdings bedauerlich, wenn die warnende Stimme meiner Partei etwas untergeht, weil alle anderen nur noch laut schreien. Sie rufen entweder Standort, Standort, Standort oder behaupten, mit der Gentechnik könne man den Welthunger, Krebs, Aids und andere Geißeln der Menschheit bekämpfen. Die gebetsmühlenartige Wiederholung hat insbesondere im medizinischen Bereich gewirkt. Wenn es um menschliches Leid geht, dann gerät in den Hintergrund, daß es den Gentechnikern um Märkte und Profite beziehungsweise ihre Profilierung geht. Dann wird vergessen, daß Gentechniker Teile des menschlichen Körpers patentieren wollen. Dann wird verdrängt, daß die überhöhten Erwartungen in gentechnische Medikamente nicht erfüllt wurden. Die Hoffnung von Betroffenen ist verständlich. Aber ist es nicht gerade deshalb unmoralisch, bei Betroffenen Erwartungen zu wecken, die nicht einzuhalten sind? Gentechniker führen Experimente an Menschen durch und vermitteln den Eindruck, sie würden schon bald Krankheiten wie Krebs, Aids oder Rheuma in den Griff bekommen.
Völlig ausgeblendet wird zudem, daß die Risiken im medizinischen Bereich besonders groß sind. Zwei Beispiele: Eine erschreckend hohe Zahl von Mitarbeitern des Pasteur-Instituts in Paris erkrankte an Krebs. Sie hatten mit Krebsgenen und gentechnisch maFoto: taz-Archiv
nipulierten Viren gearbeitet. Bis heute ist nicht geklärt, ob die Krankheitsfälle mit ihren Experimenten in Verbindung stehen. Man muß den Eindruck gewinnen, als sollten solche Zusammenhänge auch nicht untersucht werden. Ebenso ungeklärt ist die Ursache für die Erkrankung und den Tod von Menschen, die das Medikament Tryptophan der Firma Showa Denko gegen Depression und Schlaflosigkeit geschluckt hatten. Es gibt Anzeichen, daß die Nebenwirkungen mit der gentechnischen Produktion zusammenhängen.
Nicht zufällig wird die Anwendung der Gentechnik im medizinischen Bereich eher akzeptiert als zum Beispiel bei Lebensmitteln. Die Auseinandersetzung ist auch deshalb so schwierig, weil Tabuthemen angesprochen werden Tod, Krankheit, Behinderung. Solange Behinderte ausgegrenzt werden, solange wir verdrängen, daß wir sterblich sind, so lange haben diejenigen eine Chance, die uns scheinbar einfache technische Lösungen anbieten. Deshalb muß die notwendige Debatte auch darum geführt werden, welche Art von Medizin wir wollen. Deshalb müssen die Halbgötter in Weiß von ihrem Podest geholt werden.
Gentechniker versuchen den Eindruck zu vermitteln, als sei die Entwicklung der Gentechnik ein Prozeß, der automatisch abläuft. Es besteht kein Grund, ihnen das zu glauben. Der Prozeß kann beschleunigt oder verlangsamt werden, die Richtung kann verändert werden. Auch wenn heute in sehr vielen Labors gentechnische Methoden eingesetzt werden. Auch wenn in den USA jetzt genmanipulierte Tomaten auf den Markt kommen. Wir dürfen nicht alles umsetzen, was gentechnisch machbar ist. Tabus müssen auch dann erhalten bleiben, wenn die gentechnischen Möglichkeiten ausgeweitet werden. Ich habe Angst davor, daß eines Tages Menschen nach der Vorstellung von Menschen gentechnisch verändert werden. Die Bereitschaft dafür wächst in erschreckendem Ausmaß. Aber das menschliche Genom muß unantastbar bleiben. Dieser Angriff auf die Gattung Mensch muß verhindert werden. Das wird nicht einfach, ist aber notwendig. Sonst haben alternative Methoden keine Chancen oder werden ignoriert. Der erste Gentherapieversuch in Freiburg hat Schlagzeilen gemacht. Keine Schlagzeilen machte eine Äußerung des Projektleiters, wahrscheinlich hätte man auf Gentechnik verzichten können. Es geht darum, den Alternativen eine faire Chance zu geben. Jede Mark, die in Genlabors gesteckt wird, fehlt bei der Erforschung und Anwendung alternativer Heilverfahren. Hier kann und muß die öffentliche Hand steuernd eingreifen. Gentechnik führt in die Sackgasse. Die Ursachen müssen bekämpft werden. Nicht der Mensch muß an Umweltgifte angepaßt, die Vergiftung der Umwelt muß gestoppt werden.
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