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■ ÖkolumneHängt ihn höher! Von Niklaus Hablützel

Früher stand der Boss besser im Fleisch. Auf den Plakaten ist ihm das Geld aus der Tasche gequollen, und zwischen den Wurstfingern hat die Zigarre aus Havanna gequalmt. Aus und vorbei, das Klassenbild des Kapitalisten ist verblaßt, gerade in den Protestaktionen des Umeltschutzes, die keine hungernden Arbeiter, sondern die Biosphäre eines Planeten verteidigen wollen. Ganz falsch war das alte Bild übrigens nicht, der Dickwanst vor der Villa war ein passables Symbol für den Wohlstand, der den Proletariern fehlte. Was oder wen aber stellt das Bild Ferdinand Piächs dar, das Greenpeace mit der Überschrift „Ferdinand der Klimafeind“ in Hannover aufgehängt hat?

Der Mann hat Benzin im Blut, heißt es, und kriegt keine drei vernünftigen Sätze über die Lippen. Nicht einmal die FAZ kann ihn leiden. Trotzdem hat Leitartikler Jürgen Jeske gestern schon „Geisteskranke und Fanatiker“ gesehen, die das Greenpeace-Plakat studieren. Diese Leute scheinen ihm nämlich nur auf diesen Tip gewartet zu haben. Sie kommen sonst einfach nicht drauf, wen sie ermorden sollen.

Aber nein, Jürgen Jeske, mit solchen Graden von Umnachtung rechnen nicht einmal deutsche Gerichte. Der zweite Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat vielmehr festgestellt, der plakatierte Vorwurf des Klimakillens sei garFoto: taz-Archiv

nicht persönlich

gemeint. Es gehe um die Funktion des Vorstandsvorsitzenden des VW-Konzerns. Da sei es nun schon erlaubt, zu sagen, daß Ferdinand Piäch Autos baue, die mehr Benzin als nötig verbrennen und deswegen den globalen Treibhauseffekt verstärken, statt nach Maßgabe des technisch Möglichen zu mildern.

Könnte also der Killer eigentlich ein Sanitäter sein? Tatsächlich haben die Braunschweiger Richter ein öffentliches Interesse auch an einer polemischen Zuspitzung dieser Frage anerkannt. Das ist schön. Nur verstehe ich immer schlechter, was ich diskutieren soll. Die wie stets tiefbesorgte FAZ weiß es auch nicht. Jürgen Jeske glaubt, es gehe Greenpeace darum, mit spektakulären Aktionen das Spendenaufkommen zu erhöhen. Haste mal 'ne Mark fürn Attentat?

Das kann es ja wohl nicht gewesen sein. Was mir Schwierigkeiten bereitet, ist der stillschweigend anzunehmende Feuerwehrmann hinter diesem Gesicht. Der Brandstifter leuchtet mir mehr ein. Denn falls ich die Braunschweiger Richter richtig verstehe, meinen sie, es komme auf den Wortlaut der Beschimpfung nicht an, der ohne Zweifel ehrenrühig ist. Zulässig sei jedoch das allgemeinere Bild eines Verantwortlichen, das sie vermittelt. Die Täter haben Namen, das ist wahr, nur welchen denn in diesem Fall? Ist Ferdinand, der Klimafeind, wirklich jener Ferdinand Piäch, der keineswegs symbolische, sondern höchst persönliche Autofanatiker, der das Ganze nun aber nicht so eng sehen soll, weil es um seine Privatsphäre gar nicht geht?

„Laßt die Köpfe hängen“, hat letzte Woche Manfred Kriener an dieser Stelle gefordert. Einverstanden, laßt ihn hängen, nur hängt ihn höher. Denn wer ist Ferdinand Piäch? So ganz privat offenbar kein Killer, im Dienst aber schon, wenn auch nicht im wörtlichen, sondern nur metaphorischen Sinne. Schon diese These wirft Schwierigkeiten auf, die eher politischer als moralischer Natur sind. Sind Automanager heute überhaupt zuständig für irgendeinen Fortschritt? Was soll also das Plakat? Sollen wir den Mann verhaften, wenn wir ihn treffen? Und wenn ja, wie?

Seit gestern ist die Sache noch verwirrender geworden. Heinz Laing, der hochkompetente Energieexperte von Greenpeace, ließ sein eigenes Porträt mit der Überschrift plakatieren, auch er sei ein Klimakiller. Er meint das Gesprächsklima mit der Industrie. Denn so bierernst sei die ganze Aktion nicht gemeint, sagt der Greenpeace-Geschäftsführer Thilo Bode in Hamburg.

Was nun? Der semantische Rückzug kommt mir zu früh. Wofür denn will sich Heinz Laing entschuldigen? Bei Manfred Kriener hatte mir gerade eingeleuchtet, daß er nicht die Ironie der Klimakiller-Plakate lobt. Er nimmt sie ernst, weil er findet, Industriemanager sollten sich ihrer Verantwortung für die Umwelt stellen. Der ganze Piäch baut Autos. Damit gehört er durchaus im Rahmen seiner Privatsphäre zu den Kriegsgewinnlern der täglichen Schlacht auf der Autobahn. Weder juristische Unterscheidungen noch ironische Distanzierungen sollten uns hindern, das zu sagen.

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