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■ ÖkolumneSchwarz ist chic Von Manfred Kriener

Weltbevölkerungsgipfel in Kairo, Weltaidsgipfel in Paris, Weltsozialgipfel in Kopenhagen und jetzt der Weltklimagipfel in Berlin. Vier Topereignisse innerhalb weniger Monate. Die Weltgesellschaft hetzt atemlos von Bergspitze zu Bergspitze. Immer ihren Katastrophen hinterher wie der Hase dem Igel. Oben wird nur noch leise gejodelt, in der Talstation herrscht tiefe Depression. Das Scheitern der Gipfeltermine ist ihre verläßlichste Konstante. Spätestens seit Paris ist der Gipfel nicht nur zum Ritual geworden, sondern auch zur öffentlichen Inszenierung des politischen Bankrotts.

Interessanterweise gibt es über das Scheitern dieser Großkonferenzen beinahe einen gesellschaftlichen Konsens. Die Erwartungshaltung tendierte schon vor dem Berliner Treffen seit Wochen gegen null. Der „Flop“ ist die Vokabel der Stunde. Alle hauen kräftig drauf auf die nadelgestreiften Klimakiller im ICC, die sich in Geschäftsordnungsdebatten und Hinhaltemanöver verstricken, während die Fieberkurve des Planeten entschlossene Soforthilfe verlangt.

Auf früheren Meetings wurde wenigstens noch von einigen wenigen guten Menschen auf ein Wunder gehofft, oder es wurde zumindest kräftig „Verrat!“ geschrien, wenn sich das Scheitern offenbarte. Auch der Bösewicht – die USA in Rio, die Briten auf der letzten Nordsee-Konferenz – wurde gesucht, gefunden, geoutet und an den Pranger gestellt.

Vorbei. Die Entrüstung ist der nüchtern-teilnahmslosen Analyse gewichen. Die Resignation ist zur selbstverständlichen, zur zeitgemäß schicken Pose geworden. Man erwartet nichts mehr, will niemanden mehr beim Wort nehmen, findet die ganze Veranstaltung sinnlos. Die dynamischen Yuppies in den Nachrichtensendungen der privaten Fernsehstationen beschwören mit Archivbildern von Sturmfluten und Dürren kurz und heftig die Apokalypse und brechen dann routiniert den Stab über die Berliner Klimacombo. Dann folgt der Werbespot vom neuen Sechszylinder mit noch mehr Fahrkultur.

Eine so einhellige Kritik ist schon wieder verdächtig. Sie schiebt nämlich den umweltpolitischen Erfolg weit weg in die Ecke des Utopischen. Wenn das Scheitern zur Selbstverständlichkeit wird, dann wird der Erfolg endgültig zur Träumerei, zur Sphäre des politischen Romantikers. Dann macht es auch keinen Sinn, sich für irgendeine, kaum für möglich gehaltene ökologische Wende zu engagieren. Dann wird das monströse Weiter-So zur unvermeidlichen Gangart.

„Wir haben keine Chance, aber wir nutzen Sie!“ Dahinter steckte wenigstens noch ein gewitzter und trotziger Optimismus. Im Vergleich dazu sind die täglichen Grabgesänge vieler Kommentatoren von der Berliner Klimakonferenz nur die öde Selbstbestätigung, daß alles sowieso vergeblich ist. Echte Leidenschaft blitzt da selten auf. Nicht einmal Enttäuschung ist zu spüren, man hat ja schließlich nichts anderes erwartet.

Das tollste Stück in der eingedüsterten Berichterstattung gelang dem Berliner Tagesspiegel. In einer sechsseitigen Beilage zum Thema wurde der Umweltgipfel wortgewaltig eingeläutet, der Klima-GAU eindrucksvoll beschworen. Eine Seite weiter begann die Motorbeilage. Überschrift: „Porsche 911 Turbo – der Superlativ, ein uneingeschränkt alltagstauglicher Hochleistungssportwagen“. Wir erfahren, daß sich Zuffenhausen mit dem 408-PS-Fahrzeug „selbst übertroffen hat“. Das nennt man journalistische Dialektik.

Zugegeben, nicht alle sind so dämlich. Die weithin resignative Begleitmusik zum Gipfel mag indessen auch daran liegen, daß das Manöver zur Rettung des Planeten den Kommentatoren mit Blick auf den eigenen Lebensstil und die eigenen Konsumgewohnheiten tatsächlich utopisch erscheint. Wer soll das alles ändern? Man glaubt irgendwie selbst nicht mehr daran. Und man tut auch nichts dafür. Und insgeheim, in ehrlichen Stunden, ist man hierzulande ja doch nicht so ganz unglücklich, daß mit der „drohenden“ Erwärmung demnächst mediterranes Klima dräut. Dann ist es nach Italien wenigstens nicht mehr so weit.

PS: Sage keiner, es gebe nicht auch Erfreuliches von der Treibhausfront. Die Klimarettung durchs Atom hat an Attraktivität verloren. Es gab – bisher – in Berlin kaum einen ernsthaften Versuch der Atomgemeinde, ihren Ladenhüter AKW als Geheimwaffe gegen den Treibhauseffekt anzudienen. Applaus!

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