■ Ökolumne: Schöne neue Medienwelt Von Marion Caspers-Merk
Pünktlich zur Weihnachtszeit gab das Telefon der ersten Generation seinen Geist auf. Aber wer will nicht auch ein neues Telefon besitzen, das sowohl im Garten als auch im Keller beste Kommunikationsmöglichkeiten bietet?
Auch bei uns hatte die Werbestrategie der Telekom Früchte getragen, und ein schnurloses Telefon lag unter dem Baum. Sicherlich klein anzusehen, aber die Bedienungsanleitung war fast ein Vielfaches des Gerätes. Auf 78 Seiten wurde mir nun erklärt, was es alles können wird, wenn ich es richtig programmiere, aber bereits nach dem fünften Schritt hätte ich es am liebsten zum T-Punkt zurückgetragen. Wie war das früher noch mal? Das schwarze Telefon hielt ein Leben lang, und man mußte einfach nur wählen. Heute haben Telefone zwar eine technische Lebensdauer von zwölf Jahren, tatsächlich werden Sie schon nach fünf Jahren durch ein neues ersetzt.
Von dem bunten Angebot der Elektronik bleibt pro Jahr ein enormer Müllberg zurück. Allein in Deutschland sind es schätzungsweise 1,4 Millionen Tonnen E-Schrott. Mit steigender Tendenz, denn die Elektronisierung unseres Alltags nimmt mit Lichtgeschwindigkeit zu.
Leider macht es einem die Beliebigkeit der Angebote nicht gerade leicht, wenn man etwas Besonderes finden will: Hat man gestern von der Existenz eines bestimmten Produktes nicht einmal gewußt, ist es heute per globaler Vernetzung einfach zu entdecken, morgen nach Möglichkeit im Besitz einer großen Masse von Individualisten und übermorgen Schnee von gestern. Mit Mühe habe ich meine Nichten zu Weihnachten vom Tamagotchi-Fieber geheilt. Argument? Nicht etwa Verblödungsgefahr, drohende Abhängigkeit oder Vereinsamung. Nein, die Umweltschweinerei hat sie beeindruckt. Als sie hörten, wie fies die elektronischen Nervensägen für die Umwelt sind, war's vorbei mit der Liebe.
Alternativen? Da stehen dann schon diejenigen bereit, die einem die Rückbesinnung auf alte Werte andienen wollen. Aber ganz so einfach ist es eben nicht: Ein Gedicht per Brief zu schicken ist eben in Zeiten von Handy und e-mail nicht mehr dasselbe wie zu Zeiten der reitenden Boten. Also vielleicht doch was Technisches, aber mit Umweltengel oder Energy Star? Hätte den Nebeneffekt, daß die lieben Kleinen ganz nebenbei schon mal für die Berufswelt qualifiziert werden. Einen gebrauchten 386er gibt's schließlich auch schon für 50 Mark.
Aber was muß man hören oder lesen? Da hat der amerikanische Dachverband der Computerhersteller von der Öffentlickeit unbeachtet schon 1993 veröffentlicht, daß ein PC geradezu phantastische Mengen Strom in der Herstellung verschlingt, und der wird ja bekanntlich, auch nicht gerade umweltfreundlich, aus Kohle, Erdöl oder Kernkraft gewonnen. Für die Reinstraumatmosphäre bei der Chipproduktion ist ein 600facher Austausch des gesamten Luftvolumens pro Stunde notwendig – Werte, von denen ein Chirurg im OP nur träumen kann. Also auch nichts, trotz Energy Star, der ja noch nicht mal den Stand-by-Verbrauch all dieser elektronischen Gerätschaften in den Griff kriegt. Nur zur Information: Mehr als zehn Prozent des Stromverbrauchs im Haushalt versickert ungenutzt im Stand-By von TV, PC, Anrufbeantworter etc., hat das Umweltbundesamt festgestellt – von den unzähligen Akkus allüberall ganz zu schweigen. Da kann einem selbst die elektrisch beleuchtete Pfeffermühle nur noch ein müdes Grinsen abringen.
Also: Kampf allen Powerklauern, mitdenken, informieren und zurück zu den mechanischen Klassikern, wo es Sinn und Spaß macht. Wehrt euch gegen die beliebige Elektronisierung von allem und jedem, sonst geht's euch wie in der Waschmaschinentragödie von Stanislaw Lem, und ihr seid eines Tages nur noch von Menschen umgeben, die hinter der menschlichen Fassade hohl klingen und nur noch mit Hilfe von Magnetstreifen als elektronische Kopien entlarvt werden können. Und für all die, die Schwierigkeiten mit der Botschaft haben: Informationstechnologien sind Werkzeuge, die das Leben erleichtern sollen, sie sollen es nicht erschweren oder ersetzen.
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