■ Ökolumne: Anreiz zum Verschwenden Von Gottfried Ilgmann
Zwei grundlegende Irrtümer beherrschen die Debatte um die Ökosteuer. Erstens: Sie würde das Autofahren drastisch einschränken. Zweitens: Der Personen- und Güterverkehr der Bahn wäre kaum betroffen, da er per se umweltfreundlich ist. Beides ist falsch.
Auch wenn der Kraftstoffpreis auf fünf Mark innerhalb von zehn Jahren klettert, wird kaum jemand weniger Auto fahren. Soweit die AutofahrerInnen eher knapp bei Kasse sind, werden sie die Last aus der Ökosteuer weitgehend dadurch senken, daß sie auf verbrauchsgünstigere Fahrzeuge umsteigen. Das ist in der langen Umstellfrist kein Problem. Nur sehr Wohlhabende werden sich noch spritfressende Nobelkarossen halten. Somit wird die Umwelt hauptsächlich über das „Downsizing“ der Fahrzeugflotte entlastet. Im Güterverkehr sind die Folgen einer drastischen CO2-Steuer ebenso undramatisch. Die gefahrenen Kilometer gehen ebenfalls kaum zurück. Der Umwelteffekt aber ist noch größer, weil der Güterverkehr auf höhere Steuern schneller und rationaler reagiert als AutofahrerInnen.
Auch das Bruttosozialprodukt ändert sich nicht, denn die Ökosteuer, die den Bürgern beim Tanken abverlangt wird, findet sich letztlich in den Haushaltskassen wieder, weil andere Abgaben dafür gesenkt werden. Der Bundesregierung ist beides lange bekannt. Bereits im Sommer 1995 legte das ifo-Institut im Auftrag des Verkehrsministers eine Studie mit diesem Ergebnis vor: Nur drastische Preissignale können den stetigen Anstieg des CO2-Ausstoßes im Verkehr stoppen, urteilte das ifo-Institut. Doch Minister Wissmann war das Gutachten zu brisant. Er ließ es in der Schublade verschwinden, brachte auf großen Druck schließlich im Dezember eine dürftige Kurzfassung heraus.
Eines wird aber auch von Umweltschützern gern übersehen: Eine Ökosteuer ist für alle Verkehrsträger zwingend nötig – nicht nur fürs Flugzeug, sondern auch für Bahn und Binnenschiff. Das veranschaulichen Modellrechnungen, die jetzt von der Ludwig Bölkow Stiftung veröffentlicht wurden. Der Glaube etwa, daß eine Ökosteuer der Bahn wegen ihrer relativen Energiesparsamkeit wenig anhaben könnte, trügt. Bei elektrischen Zügen ist bislang die Energie spottbillig, und es wird einem sparsamen Verbrauch – betriebswirtschaftlich konsequent – wenig Bedeutung beigemessen.
Nicht so beim Konkurrenten im Güterverkehr, dem Lkw. Der kauft seine Energie etwa viermal so teuer ein – bedingt durch Mineralölsteuern. Seinem Energieverbrauch wurde deshalb – betriebswirtschaftlich ebenso konsequent – mehr Bedeutung beigemessen. Dadurch ist die Differenz im Energieverbrauch zwischen Lkw und Bahn stetig geschrumpft. 1987 verbrauchte der Lkw gegenüber der Bahn das Zweieinhalbfache an Energie je transportierte Tonne und Kilometer Strecke. Im Szenario einer drastischen Energiesteuer nur für den Straßenverkehr wird die Differenz zu Lasten der Bahn bis zum Jahr 2010 auf bloß das 1,1- bis 1,2fache schrumpfen.
Noch dramatischer ist der Vergleich beim Personennahverkehr. Die Bahn verbraucht bei Entfernungen bis 50 Kilometer ebenso viel Energie pro Person und Kilometer wie ein moderner Pkw der unteren Mittelklasse – bedingt durch miserable Auslastung und ein großes Wagengewicht pro Platz. Jedem sollte klar sein: Wenn erheblich mehr Verkehr auf die Schiene kommt, müßte der zusätzliche Bahnstrom zur Zeit primär in Kraftwerken erzeugt werden, die mit fossilen Energien, insbesondere mit Kohle, gespeist werden. Damit würde noch mehr CO2 pro Nutzenergie emittiert werden als beim Einsatz von Mineralöl im Straßenverkehr.
Wird also die (elektrische) Bahn – bezogen auf die CO2-Emission – das Prädikat „unweltfreundlich“ verlieren? Ja, nämlich dann, wenn ihre bislang durch Steuern völlig unbelastete Energie weiterhin spottbillig bleibt. Nur eine Ökosteuer für alle Verkehrsträger würde bewirken, daß auch die Bahn ihre Energiesparpotentiale erschließt. Diese sind sehr groß, denn wer bislang große Anreize zur Energievergeudung hatte, kann nun auch besonders viel einsparen.
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