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ÖkolumneAuf dem Holzweg

Nur eine neue Wirtschaftspolitik rettet die letzten Urwälder

Berlin (taz) – Der Ring ist wieder offen, den Eröffnungsgong gab das taz.mag am 15. Januar mit einem Interview mit Patrick Moore, einem Berater der kanadischen Holzindustrie. Die ökologische Meinungshoheit zwischen Greenpeace und der Holzindustrie stand zur Debatte, das Objekt war die Diskussion um den Erhalt der letzten kanadischen Urwälder in Britisch-Kolumbien. Das ehemalige Greenpeace-Mitglied Moore warf der Organisation in dem Interview Effekthascherei und mangelnden Problemlösungswillen vor. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Die taz sei der kanadischen Forstindustrie auf den Leim gegangen, Moore vernachlässige wissenschaftliche Fakten, schrieben erboste Leser der taz.

In Wirklichkeit wurde ein alter und einäugiger Streit zwischen Förstern und Biologen wiederbelebt. Die Förster argumentieren damit, dass ihre Arbeit grundsätzlich den Wald schützt und erhält, Kahlschlag auch im normalen Waldleben bei Sturm und Feuer vorkommt und daher eine nachhaltige Forstwirtschaft durchaus auch in Urwäldern akzeptabel ist. Die Biologen wiederum weisen darauf hin, dass die Kahlschagpraxis zum Artensterben führt und nur eine Unterschutzstellung der letzten Urwälder Kanadas dieser Zerstörung Einhalt gebieten könne. Beide Seiten suchen die Lösung gegen die fortschreitende Entwaldung dabei grundsätzlich innerhalb des Waldes. Dabei liegt die Lösung gegen die rasante Vernichtung der Urwälder in erster Linie außerhalb der Holzwirtschaft.

Die Holzwirtschaft kann die Urwälder nicht mit nachhaltigen Einschlagtechniken retten, da diese nicht mit den jahrhundertelangen Wachstumszyklen der Urwaldbäume kompatibel sind. Denn der Verbrauch an Papier wächst weltweit, nicht etwa trotz, sondern wegen des Computereinsatzes – weil mehr ausgedruckt als gelesen wird. Die Holzwirtschaft kann, um diesen Hunger zu befriedigen, nicht alle 200 Jahre einschlagen oder „selektiv“ den ein oder anderen Baum herausholen. Das weiß sie auch und setzt deshalb auf schneller wachsende Baumarten.

Die dem Primat der Biologie verbundenen Greenpeace-Kampagnen retten die Wälder allerdings auch nicht mit ihrer Forderung nach einer Unterschutzstellung aller Wälder, dazu ist der kurzfristige wirtschaftliche Druck zu groß. Sie müssen daher stärker die Rolle des Staates und ihrer wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in ihre Konzepte einbeziehen, wenn sie einen Beitrag zur Rettung der natürlichen Grundlagen leisten wollen. Der Staat in seiner Ordnungsfunktion im Verhältnis zu Wirtschaft und Gesellschaft mag auf den staatenlosen Weltmeeren unbedeutend sein. In besiedelten Gegenden mit unterschiedlichen Nutzungs- und Schutzinteressen am Wald ist er es ganz sicher nicht. Was im Wald passiert oder nicht passiert, liegt in den Händen dieser Ordnungsmacht. Das aber wird zumindest von den Umweltschützern vernachlässigt.

Aus dieser einfachen Erkenntnis lassen sich jede Menge neuer Kampagnen hinsichtlich der Versäumnisse der Regierungen beim Schutz vor Entwaldung ableiten. Die Ausplünderung der natürlichen Grundlagen durch die Holzindustrie und die Funktion des Staates dabei müssen analysiert werden. Welche Rolle hat der Staat eingenommen, um die divergierenden Interessen am Wald zu regeln? Es muss auch geklärt werden, welche Rolle der Staat bei wirtschaftlichen Strukturen spielt, die außerhalb der Wälder liegen und der kanadischen Bevölkerung Arbeitsplätze geben – wie Tourismus.

Die Rolle des Staates ist nun mal kein unbedeutender Parameter in einem biologischen Modell, wie uns die Greenpeace-Kampagnen und die Nachhaltigkeits-Diskussionen der Holzwirtschaft weismachen wollen. Beide propagieren Lösungen ohne Einbeziehung des Staates. Zukunftsfähige Konzepte gegen die Entwaldung dürfen keinen großen Bogen um Fragen wie staatlich initiierte wirtschaftliche Alternativen machen.

Die Provinzregierung in Vancouver hat die Zeichen der Zeit erkannt, und setzt auf den naturnahen Tourismus als Alternative zur Holzwirtschaft. Denn wenn dieser Tourismus weiterhin boomen und Arbeitsplätze schaffen soll, müssen die wunderschönen Urwaldgebiete erhalten bleiben. Die naturwissenschaftlich geprägte Vorstellung, die fortschreitende Entwaldung ließe sich allein mit Sektorkonzepten im Naturschutz versus Forstwirtschaft lösen, hat schon zu viele Jahre den Blick verstellt. Nur solche Lösungsansätze haben eine Zukunft, die sie sich von den Grabenkämpfen innerhalb der Wälder lösen.

Torsten Bünning

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