Ökolumne: Mehr böses Blut
Bioläden, Ökofaschismus und Gelddrucken: Tschüss, Ökolumne
Um es gleich zu sagen: Dies ist die letzte Ökolumne. Mit dem Relaunch der taz am 4. März werden wir diese Rubrik abschaffen.
344-mal haben sich an dieser Stelle Minister, Castorblockierer, Parteipolitiker, Querköpfe, Wissenschaftler, (alternative) Nobelpreisträger und taz-Redakteure über das Verhältnis von Umwelt und Wirtschaft die Köpfe heiß geschrieben; haben geschimpft, gelobt, gespottet – und manchmal auch gehetzt.
Hier beschwor Joschka Fischer 1995, als er sich noch für Umwelt interessierte, die „ökologische Gründergeneration“, beklagte Fritz Vahrenholt 1996, dass „die Liebe zur Umwelt durchs Portemonnaie geht“. Damals war er im Staatsdienst Umweltsenator und arbeitete noch nicht für Shell. Fernsehjournalist Franz Alt wollte 1993 „Schilfgras statt Atom“. Der vor zwei Jahren gestorbene DDR-Oppositionelle und grüne Romantiker Rudolf Bahro hoffte 1994, dass durch viele neue Katastrophen endlich „die tödliche Logik der ökologischen Krise wieder ins Bewußtsein einfällt“.
So, wie sie nun endet, begann sie auch: Mit Blattreform und neuem Lay-out. Am 28. September 1992 erfand die taz das Ressort Wirtschaft & Umwelt, spendierte dafür zwei Seiten täglich und eine Kolumne. Gleich die erste Ökolumne „Der Bioladen – ein Dilemma“ löste empörte Leserbriefe aus: „Dieses Birkenstock-sandalige ... Flair, das der Ort immer noch ausdünstet“, spottete Caroline Fetscher, „wie ein schweres kartoffeliges Tier, das den Winterschlaf der Geschichte schläft: Gänsehaut.“ Ihre Polemik gegen Kundenferne und moralischen Zeigefinger erntete scharfe Kritik: „Nur weiter so, Ihr Yuppies! Zerbrecht Euch nicht den Kopf darüber, was wir ändern könnten, müßten, sollten.“
Die Provokation war gewollt. In der Ökolumne erklärte Greenpeace-Chef Thilo Bode die Grünen schon 1993 umweltpolitisch für zu lasch. Umgekehrt wurde sein Verband im März 1998 in der Kolumne „Nicht für fünf Pfennig“ wiederum krisitisiert, weil Greenpeace die Grünen hängen ließ, als sie sich mit ihrer Forderung nach fünf Mark fürs Benzin eine blutige Nase holten.
Hier stritten sich 1992 der nach rechts abgedriftete Ökotheoretiker Herbert Gruhl – „der Mensch geht an seiner selbstgeschaffenen Ökonomie zugrunde“ – und Ökofundamentalisitin Jutta Ditfurth – „rechte Ökologen bis hin zu Ökofaschisten übertragen ‚Regeln‘ aus der Beobachtung von Pflanzen und Tieren auf die menschliche Gesellschaft“. Beliebt war auch die Publikumsbeschimpfung. Mal moderater –„Wir sind fast alle Opfer und Täter“ (Franz Alt) –, mal bissiger – „die Nation der Schoßhündchenhalter, die ihrem Waldi schon mal einen Grabstein aud Marmor spendieren, ist, wenn es um sogenannte Nutztiere geht, kälter als die kälteste Hundeschnauze“ (taz-Autor Manfred Kriener).
Während anfangs auch noch – gemäß dem erklärten Ziel dieser Kolumne – Grundsatzdebatten geführt wurden über den generellen Kurs der Umweltpolitik, so wurden doch mit der Zeit die Themen und Vorschläge immer konkreter. Zuletzt gab es nur noch selten so grundsätzliche Kritik wie die von Jörg Bergstedt, der den Chefs der großen Umweltverbände vorwarf, sie stünden lieber mit „Atomministerin Merkel vor laufenden Kameras“ und „malten niedliche Spechte auf Bäume, die nicht gefällt werden sollen“, anstatt sich vor den Castor zu setzen.
Nicht immer gelang es, Umwelt und Wirtschaft zusammenzubringen. Oft driftete sie in die Tiefen der Umweltpolitik ab. Auch die glossierende Form gelang seltener als erhofft. Irgendwie erwies sich die Kolumne dafür als zu lang. Und mit der abnehmenden Konjunktur des Umweltschutzes in der Gesellschaft beschlich uns im Ressort immer öfter das Gefühl, die Kolumne könnte zu einer Art Ghetto für das Thema werden. Die neue taz wird ab 4. März mehr Platz auf den Meinungsseiten haben, und auch auf dem Tagesthema wird es künftig die Möglichkeit für ein Pro und Kontra geben, genannt „Böses Blut“. Genug Platz für Umweltdebatte also außerhalb der Ressortseiten.
Nach 344 Ökolumnen wollen wir auf den Wirtschafts- und Umweltseiten etwas Neues ausprobieren: Mit der „Zahl der Woche“ wird es eine neue kürzere Samstagskolumne geben, die einen informativen bis glossierenden Charakter haben soll. Hier wird künftig ein Ereignis der Woche noch einmal von einem anderen Blickwinkel aufgespießt werden. Wir hoffen, dass Sie daran Gefallen finden werden. Matthias Urbach
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