piwik no script img

■ Die Grünen und das TempodromÖkodogmatismus

Als aufrechte Retter bedrohten Grünzeugs treten die Kreuzberger Grünen auf den Plan, doch sie tun es an der falschen Stelle. Es ist schon bizarr. Da will ein Kulturbetrieb, der aus der Alternativszene hervorgegangen ist, ein ökologisch einwandfreies Kulturzentrum in eine städtische Ödnis setzen, und die Grünen nutzen ihre starke Position im Kreuzberger Rathaus, um das Projekt an dieser Stelle zu verhindern. Sie sehen ein mehr oder weniger wertvolles Biotop in Gefahr! Ihr Vorhaben, eben dieses Biotop mitten in der Metropole unter Naturschutz stellen zu wollen, ist nicht nur ein Witz, sondern zeugt auch von einem falsch verstandenen Begriff von Stadt.

Die Kreuzberger Grünen denken immer noch in den Kategorien der achtziger Jahre. Zwar muß auch heute noch um jedes Stückchen innerstädtische Grünfläche gekämpft werden, aber bitte mit Augenmaß. Die Vorstellung, mitten in der Stadt ausgedehnte Spaziergänge machen zu wollen, ist nach dem Mauerfall anachronistisch. Parks im Zentrum der Stadt müssen jetzt ganz andere Bedürfnisse erfüllen. Der Görlitzer Park ist das beste Beispiel dafür. Er ist attraktiv, weil er vielfältige Erholungsmöglichkeiten bietet. Das Tempodrom wäre die Attraktion im künftigen Park am Anhalter Bahnhof, zumal der Kulturbetrieb nur ein Zehntel der Fläche beansprucht.

Statt die Chance zu erkennen, ein ökologisch und kulturell innovatives Projekt nach Kreuzberg zu holen, bauen die Grünen einen falschen Gegensatz zwischen Kultur und Natur auf. Die Sturheit, mit der sie an ihrer Ablehnung festhalten, macht deutlich, wo die wahren Betonköpfe sitzen. Enttäuschend ist zudem, daß die Ablehnungshaltung aus einer unproduktiven Rivalität zur SPD herrührt. Wenn die Grünen Vorschläge des politischen Gegners auch dann verwerfen, wenn sie gut sind, weisen sie die Krankheitssymptome einer Altpartei auf. Beobachter der BVV-Sitzung prophezeiten bereits, daß solch irrationaler Ökodogmatismus die Grünen einige Wählerstimmen kosten könnte. Dorothee Winden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen