piwik no script img

„Öko“ mit Abstrichen

■ Bauherrn und Planer mittlerweile über „IBA-Beispielprojekt für innerstädtisches Wohnen im Einklang mit der Natur“ ernüchtert

„Ein Märchen wird wahr“, schwärmte gestern der international renommierte Architekt Frei Otto anläßlich des Richtfests für ein von ihm konzipiertes „Öko-Haus“ im Diplomatenviertel an der Corneliusstraße. Zum vorgesehenen Fertigstellungstermin in etwa einem Jahr soll es einer Gemeinschaft von 18 Bauherrn-Familien nach eigenen Vorstellungen und unter teilweiser Selbsthilfe ausgebaute „Eigenheime“ auf der Etage bieten.

Die Idee für das „Grüne Haus“ besteht nach der Projektbeschreibung in der Vorgabe einer regalartigen Platten- und Stützenkonstruktion, um maximale Anpassungsmöglichkeiten „analog den Strukturen der Natur“ zu bieten. Das einstweilen noch auf dem Papier stehende „Ökologie-Konzept“ wartet zu diesem Behufe mit allen heutzutage möglichen Maßnahmen der „richtigen“ ökologischen Baukunst auf.

Neben der „Durchgrünung“ der Geschoßebenen, Dächer und Fassaden verspricht es die passive Nutzung von Solarenergie, eine getrennte Abfallsammlung in den Küchen und die Kompostierung der organischen Abfälle. Ebenso wird es nach dem Konzept eine Klärung der Abwässer durch Pflanzen und deren Bewässerung mit Brauchwasser geben. Selbstredend sollen nur natürliche und umweltfreundliche Baustoffe verwandt werden, weshalb der Bundesbauminister jetzt Modellfördergelder von 840.000 DM zusagte.

„Außer einem Komposthaufen wird es hier wohl nicht viel Grünes geben“, meinten demgegenüber beim Richtfest etliche Bauherren und Planer in bitterem Realismus. Die Brauchwasser - und Wärmerückgewinnung, die Nutzung von Windenergie, der Einbau von wassersparenden Systemen, all das ist nicht zum Tragen gekommen.

Einer, der nicht genannt werden wollte: „Für eine Investition von 6.000 DM werde ich meine Toilette nicht mit Brauchwasser spülen und habe nachher noch Probleme mit der Reinigung und der Geruchsbildung.“

thok

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen